Sonntag, 21. August 2016

#Orge l-Experimente ‪#‎Bern‬/‪#‎Biel‬, CH, Köln, demnächst auf #HR2 #Musik #neuemusik

 Neue Klänge, alte Töne.

Offenbar meint man immer noch, sich für neue ‪#‎Orgeln‬ und Neue Musik entschuldigen zu müssen. In der Kölner Kunststation St.Peter war eine Führung, während mir der dortige Organist Dominik Susteck die Orgelanlage für meine neue Sendung erklärte. Die Führerin kommentierte die Klänge, die ‪#‎Susteck‬ mir vorgeführt hatte, u.a. mit den Worten: „Solche Musik muss man mögen.“
Kann ich nur sagen: Nein. Muss man nicht. Aber man darf.


In Bern und Biel hat man sich dem Zugriff auf den Wind durch den Spielvorgang auf der Klaviatur zugewandt, dies bringt neue Ausdrucksmöglichkeiten im musikantischen Bereich, Akzente durch veränderte Anschlagsintensität bzw. Sforzati bringen ein Mehr an Vitalität ins Spiel von Einzellinien. Die Möglichkeit, den Winddruck nicht nur zu drosseln, sondern auch zu erhöhen, ist in der hier realisierten Form einzigartig im Orgelbau. Klangliche Veränderungen können bei mehrstimmigen Spiel durch reine Windregulierung und ohne Registerwechsel herbeigeführt werden, das heißt, es gibt so etwas wie eine wind-interne Registrierung durch Über- und Unterblasen. Der Interpret muss sein Tastenspiel auf ein dynamisch sensibles Instrument einstellen, das man so nur mit mechanischer Traktur bauen kann.

In ‪#‎Köln‬ findet man dagegen eine elektronisch gestützte Orgel vor, die man mit einer Vielzahl von ‪#‎Registern‬ ausgestattet hat, die z.T. erstmals in einer Kirchenorgel verbaut worden sind. Diese kann man mit großer Variationsbreite untereinander kombinieren, was, verbunden mit zwei Winddrosseln für die zwei Teilorgeln auf dem Wege der Registrierung zu einer großen Flexibilität der Klanggestaltung führt, die viele Kompositionen wesentlich organischer klingen lässt. Eine solche Variabilität fordert nachgerade eine elektrische Registertraktur, damit man eine Setzeranlage mit 4000 freien Kombinationen nutzen kann. Zusammen mit der Transponierbarkeit der ‪#‎Koppeln‬ werden die Forderungen, die die neue Musik stellt, mehr mit den Registern erfüllt als im Spielvorgang.
Im Herbst soll auf ‪#‎HR2‬ davon die Rede sein. In zwei neuen Folgen der Reihe „Werkzeuge der Neuen Musik“. Über die Orgel.

©hoeldke2016

Montag, 15. August 2016

#Orgel-Glissando - erotisch? #Orgelmusik im Wandel





Der gerade, in der Höhe gleichbleibende Orgelton, das ist der Wille Gottes.

So oder so ähnlich versuchten gewisse Orgelbauer noch 1998 in Trossingen die Ideen einer Gruppe von Orgelexperten zu kritisieren, die sich zum Ziel gesetzt hatte, neue Wege im #Orgelbau zu gehen.
Schon 1961 hatten in Bremen ein Konzert im Bremer Dom abgesagt, aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell hieß. Auf diesem Konzert sollte Musik von Ligeti, Kagel und Hambraeus aufgeführt werden. Neue Musik. Atonal. Unsingbar. Schreien, Pfeifen, Klopfen auf der Orgelempore. Beunruhigend. Später sollte zu einem Stück von Hans Otte auch noch getanzt werden. Evangelisches Grau war in Gefahr. Nun war man doch schon entmachtet, niemand glaubte mehr das jungfräuliche, und jetzt passierten so fürchterliche Dinge. Und sie nannten das „Neue Musik“. Ein Sicherheitsrisiko.

Eine Orgel ist eben kein normales Musikinstrument. Man kann sie nicht einfach woanders spielen, wenn ihre Musik vor Ort nicht erwünscht ist.
Eine Orgel ist immer gebunden an ihren Standort. Die Menschen, die sie umgeben, machen sie zur Anwohnerin oder zur Gefangenen des Hauses.

Wird ihr Betragen goutiert, wird sie geliebt. Das entscheiden sowohl diejenigen, die sie spielen, als auch die, die bestimmen wollen, was gespielt wird. Letztere sind allzu oft diejenigen, die nichts von Musik verstehen. Aber von Grau. Und von Jungfrauen. Und haben das Sagen. Aber nur noch in der Kirche.

Die #Orgel hat etwas jungfräulich-unbeholfenes, ist mehr ein Gerät als ein Instrument, ist mehr physikalisch als musikalisch. Ein Ton auf ihr wird an- wird ausgeschaltet, ganz einfach; diese Primitivität hat durchaus ihre Berechtigung, schließlich ist der Ursprung der Orgel ein paar Jahrtausende alt. Erst der orgelspielende Mensch verleiht der Physik seine Musikalität, begegnet der gepanzerten Grobheit mit Menschlichkeit, muss tricksen in einer Welt des Unumgänglichen und ewig Bestehenden und Feststehenden, um etwas Bewegung hineinzubringen.
Nur ist der Irrtum der, dass der starre, der unverrückbare Orgelton nicht göttlichen Willen, sondern menschliche Unbeholfenheit repräsentiert. Den Musikern gelingt es immer wieder, diesen Sauriern fließende, ja elegante Bewegungen zu entlocken, letzten Endes bleibt Orgelmusik aber in gewisser Weise übergewichtig, unfähig zu echtem Legato.

Die Königin will ein neues Lied. Dafür muss sie noch ein paar Töne lernen, was heißt, ein paar? Es sind viele neue Töne, viele neue Klänge. Dafür ist sie bereit, die Schulbank zu drücken, sich ein neues Herz und auch eine neue Lunge zuzulegen. Denn sie wird mehr Luft brauchen, viel mehr. Denn die Königin will singen. Ein neues Lied.

Wenn Gott eine Sprache hat, ist es die Musik. Das weiß jeder. Sogar die Atheisten. Wenn sogar die das zugeben, soll Gott doch bitte so reden, wie sich das in einer Kirche gehört. Dafür braucht man keine neuen Instrumente. Eine Orgel, die rauscht, jault und schlägt, braucht man nicht. Die ist gottlos. Man hat sich mal festgelegt, wie Gott redet. Bei Bach. Bei Reger. Bei Liszt. Messiaen noch, aber dann ist Schluss. Das muss angenehm klingen, damit keine Zweifel aufkommen.

Ab dem Zwanzigsten Jahrhundert hat Gott nämlich nichts neues mehr gesagt. Oder doch?

Sie hießen #Ligeti, #Otte, #Bares, Peter, #Zacher und #Kagel. Sie heißen #Susteck, #Glaus, #Szathmáry, Böttcher, #Alfter und Van #Coppenolle.
Zum Glück waren es so viele, sind es so viele, dass man sie hier nicht alle nennen kann:
Diejenigen, die die Königin zum Lachen, zum Schreien, zum Jaulen, zum Atmen und zum Keuchen bringen.
Klingt das erotisch? Ja, und vielleicht ist das der Grund, dass man meint, so könne Gott nicht sein, das könne er nicht wollen. Zum Glück greifen immer wieder Menschen ins Gottgewollte ein.

Im Herbst soll auf HR2 davon im #Radio die Rede sein. In zwei neuen Folgen der Reihe „Werkzeuge der Neuen Musik“. Über die Orgel.

So weit der Werbeblock.

©hoeldke2016


Mittwoch, 10. August 2016

Pfeifendünkel - Plädoyer für Digitalorgeln (Eine traurige Orgel-Glosse)



Es herrscht Dünkel in der Welt der Orgeln, wie überall in der Musik. Bei den Recherchen für meine Sendungen auf HR2 konnte ich mich dem gar nicht entziehen. Selbst bei Künstlern von höchsten Graden sind Ressentiments gegenüber Kollegen und Musikrichtungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und gewissermaßen haben sie alle ihre Berechtigung, die Künstler, die Richtungen, und auch die Ressentiments dagegen.
Jedes Thema ist geeignet. Wenn man sich für etwas entscheidet, entscheidet man sich gegen etwas anderes. Diese Ablehnung zeigt sich bei manch einem nur durch stilles Nichterwähnen, bei anderen wird man bei einem Gespräch in eine bestimmte Richtung lanciert, und dann gibt es Zunder: Gegen Ligeti, gegen Schlagzeug-Register, gegen Taizé, gegen Jazz auf der Orgel. Die Palette ist breit, jeder fordert sein Privat-Zölibat. Alle wettern!

Aber alles hat seine Grenzen, besonders, wenn es an die Verhinderung normaler kirchlicher Abläufe geht. Ich bin einige Dutzend Male im Jahr nebenberuflich als Organist unterwegs, häufig in Krankenhäusern, wo ich ziemlich beliebt bin: „Endlich passiert was im Spitals-Zwangstacet!“ In den dortigen Kapellen finden sich umständehalber kleinere Instrumente, oft elektronische Orgeln. Wenn die betagt sind (25-30 Jahre), sind die metallenen Bauteile oxydiert: Defekte Tastenkontakte sorgen dafür, dass nicht alle Töne, die ich spiele, auch erklingen. Schmutz, der in die Ritzen zwischen den Klaviertasten gefallen ist, sorgt für Hänger (Töne, die nicht ausgehen). Die Registertaster knacken oder funktionieren zum Teil gar nicht. Die Fußschweller sprechen nur unzuverlässig an. Es ist eine Strafe, auf solchen Instrumenten seinen Dienst zu versehen, geschweige denn, etwas aus der Literatur vorzuspielen.

Mein Lieblingsbeispiel: In einer Krankenhauskapelle in Wannsee befindet sich die dortige Ahlborg-Orgel in besonders beklagenswertem Zustand. Eine Reparatur kommt nicht in Frage, die Kosten würden den (Rest-)Wert des Instruments übersteigen, und nach drei Jahren wäre die Orgel in schlimmerer Kondition als im Augenblick, weil die Reparaturen Flickwerk wären; denn es gibt keine Originalteile mehr, der Reparateur müsste herumtricksen, das ist fast nie eine gute Lösung. Ein neues Instrument (5000,- bis 7000,-) ist mehr als fällig. Der Krankenhaus-Überbau stellt sich quer, was Finanzierung angeht.

Ich wandte mich an das Evangelische Konsistorium. Von dort schrieb mir einer der dortigen Ober-Kirchenmusiker einen zweiseitigen Brief, in dem er mir die Nichtzuständigkeit dieser landeskirchlichen Behörde darlegte, gleichzeitig aber auch ein erschreckendes Zeugnis  seiner Haltung gegenüber solchen elektronischen Instrumenten abgab. Er verwies, dass es im Besteben der Landeskirche läge, nur Pfeifenorgeln zu fördern und meinte, dass es in der betreffenden Krankenhauskapelle eher angebracht sei, eine kleine Pfeifenorgel zu installieren. Nun mag er ja mit der kirchenmusikalischen Praxis an so unbedeutender Stelle nicht mehr recht vertraut sein. Er schien aber zu meinen, dass er sich über den technischen Stand des elektronischen Hausorgelbaus gar nicht informieren müsse. Für ihn sind und bleiben Elektronische Kirchenorgeln minderwertige Surrogate.

Ein digitale Orgel klingt längst nicht mehr so künstlich wie noch vor zwanzig Jahren, und das hat seinen Grund: Die Töne sind gesampelt, das heißt, man hört Originaltöne, die aufgenommen wurden, und die man für die Tastatur spielbar gemacht hat, Register für Register. Ein Standardinstrument bietet die Auswahl zwischen verschiedenen unterschiedlichen Orgeln (z.B. Barock, Romantik etc.), dazu mehrere Stimmungen (Gleichschwebend, mitteltönig, Werckmeister etc.). Zwar hat man es immer noch mit einem Imitat zu tun, doch handelt es sich bei einem solchen digitalen Instrument durchaus um eine ernstzunehmende Orgel, auf der man sogar mittelgroße Stücke der Orgelliteratur durchaus spielen kann. Man findet neben der genannten Auswahl an verschiedenen Grunddispositionen etwa 30 Register mit allen notwendigen Spielhilfen. All das wusste der Schreiber des freundlichen Antwortbriefes aus dem Konsistorium offenbar nicht, und er meinte, das auch nicht wissen zu müssen.

Zum Vergleich: Eine (gebrauchte) Kleinorgel mit Pfeifen und Gebläse für immerhin 10.000,-€ bietet vielleicht fünf Register, angehängtes Pedal (Achtfuß, also ohne Tiefbass) und hat nur ein Manual. Dadurch hat man keine Möglichkeit, triomäßig zu spielen, d.h. in der Praxis, die Melodie eines Chorals hervorzuheben, indem man sie auf einer anderen Tastatur spielt; die Gemeinde kann dann besser mitsingen. Ein entscheidender Teil des Bach’schen Orgelbüchleins lässt sich darauf auch nicht oder nur unter großen Einbußen spielen, ganz zu schweigen von französischen Romantikern. Dennoch meinte man im Konsistorium, nur eine „wahre“ Orgel sei es wert, „Orgel“ genannt zu werden. Ich bewundere Kompetenz, wo immer sie auftaucht.

Es ist überhaupt nicht in Abrede zu stellen, dass eine Digitalorgel kein Ersatz für ein Pfeifeninstrument in einer großen Kirche sein kann (und auch nicht will). Für eine Krankenhauskapelle mit 40-50 Plätzen ist aber ein modernes elektronisches Instrument die bessere, weil variantenreichere Wahl für bessere Musik. Eine Pfeifenorgel in vergleichbarer Preislage klingt zwar vielleicht voller, aber wegen seiner wenigen klanglichen Möglichkeiten einseitig und im Ergebnis langweilig.

Nun habe ich während meiner Stoffsammlung für meine Orgelsendungen einige bedeutende Vertreter der zeitgenössischen Orgelmusik kennengelernt, die die Kirche oft gegen sich hatten. Allerdings muss man zu Gute halten, dass damals (in den 60ern) eine musikalische Revolution stattfand, also echte Umwälzungen in Komposition und Orgelbau, damit kann man schon mal anecken. Man hatte es mit einer Musik zu tun, die wenig gewohntes bot und die trotzdem höchst kunstfertig war, was man beweisen musste. Dazu kommt bei Kirchens immer die Angst dazu, dass sich etwas ändern könnte.

In meinem Fall ging es einfach darum, eine Krankenhauskapelle mit einem geeigneten Instrument für gottesdientliches Spiel und ab und zu ein kleines Konzert auszustatten. Ich weiß sehr wohl um den Wert und den Klang einer großen Kirchenorgel, ganz besonders, wenn ich selbst mal darauf spielen darf. Aber ich sehe nicht ein, dass in kleinen Kapellen ein Zwang zu Minimalismus, ausgedrückt in den ewig gleichen fünf Registern und einem Bass, dem schlicht eine Oktave fehlt. Dazu kommt, dass, wenn man den Wünschen im Konsistorium nachkäme, das Projekt in noch weitere Ferne rücken würde, da ein Pfeifeninstrument sehr viel teurer wäre.

Ich glaube, ich bin jetzt wieder ein Stückchen besser instruiert, warum es mit der Musik in Kirchen abwärts geht. Denn ich hatte ja bei meinem Schriftwechsel niemanden von der Geistlichkeit vor mir, dem man ja eine gewisse musikalische Unwissenheit zu billigen mag, sondern einen vorgesetzten Musiker des Kirchenkreises.

Dünkel erdrückt notwendigen Pragmatismus.
©hoeldke2016