Dienstag, 23. Februar 2016

Wie die Elektroakustische Musik zum Deutschen Zoll kam

(Logo der HP "Zoll online")

Wie die Elektroakustische Musik zum Deutschen Zoll kam

Und da habe ich bei einer Jury mitgewirkt. In einem kanadischen Wettbewerb für Elektroakustische Musik. Ehrenamtlich. Fünfzig Stücke angehört. Schlechte. Gute. Zum Glück mehr gute. Elektroakustische Stücke. Meine Freunde wissen: Ich halte diesen Krach für Musik. Für ganz normale Musik.

Leider existiert diese Jury nur online…Kanada...ist noch keine Kerbe in meinem Holz; auf meinem Wunschzettel steht Kanada schon.
Naja, man macht das mit, weil es Spaß bringt. Ein paar Tage lang hört man Musik. Eine schöne Beschäftigung. Jedes Werk wird bewertet. Möglichst kompetent, und man möchte niemandem Unrecht tun. Am Ende mailt man einen Bewertungsbogen nach Kanada. Zur Belohnung bekommt man irgendwann eine CD mit der Musik der Erstplatzierten. Jedesmal (ich habe nicht immer Zeit dafür) wenn ich das mache, der selbe Vorgang. Dachte ich.

Die CD kam. Und sie kam nicht. Es kam eine Benachrichtigung vom Zollamt. Eine Briefsendung aus Kanada sei eingegangen, die gewissen Richtlinien nicht entspreche. Ich machte mich auf den Weg, 20 Minuten mit dem Auto, und schon war ich da, in der Kufsteiner Straße, ganz nah beim alten RIAS, das Zollamt ist in einem Flachbau, der irgendwie provisorisch anmutet. Ich stellte mich an, nach einer Viertelstunde trat ich vor eine schwerathletisch anmutende Dame. Es kam mir vor, als hätte ich sie schon einmal gesehen, vor rund 30 Jahren beim Abfertigungspersonal für die Einreise nach Ostberlin, pardon, in die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin! Da war sie bei den „Grenzschutztruppen der DDR“. Aber das konnte nun wirklich nicht sein. Trotzdem, Physiognomie und Feldwebellinnentonfall stimmten. Die Uniform saß. Stramm.

Ich zeigte meinen Benachrichtigungszettel, erwähnte, dass ich wisse, um was es sich bei der Sendung handelte, um ein Gesschenk, eine CD, nicht ohne vorher meine Stimme auf das Preset "gut gelaunt" gestellt zu haben. Schon Konfuzius rät: "Ist der Feind überlegen, meide den Kampf." Der Erfolg meiner Taktik hielt sich in engen Grenzen, genau gesagt, er stellte sich nicht ein. Woran lag es? Ich weiß es nicht.
Statt ein verbindliches Lächeln zu versuchen, murmelte mein starkes Gegenüber etwas von "es isnich klar, was dadrinne is,...", wenn der Umschlag etwas enthielte, das mehr als 22Eurofuffzich wert sei, müsse ich Steuern oder Zoll (oder beides) zahlen, ich erinnere mich nicht mehr genau. Die Walküre reichte mir eine Wartenummer, Nr.71, das Display stand auf 58. Auf meine Frage, ob sie ungefähr einschätzen könne, wie lange ich warten müsste, sagte es: "Woher soll ickendet wissen?" und drehte sich um; ich begab mich zu den Warteplätzen.

Zum Glück waren meine Mitwartenden recht nett. Ein Bilderbuchpärchen war da mit einem Bilderbuchsohn, so einem Kind mit Kulleraugen, das mit jedem flirtete und persönliche Fragen stellte wie: „Musst du auch so lange warten?“ Ja, musste ich. Und dann wartete noch eine junge Dame, die Material für Motortuning aus Übersee erwartete. Ich fragte sie, ob mein Auto auch mit so einem Chip aufzufrischen wäre. „Ja, det is ganz leicht!“ Dann verriet sie mir noch, dass 15 PS mehr für meinen Flitzer rund 220 Euro kosten würden, und dass sie eigentlich Anwältin sei. Ich fand daraufhin meine PS-Zahl ausreichend.

Brünhilde hatte inzwischen ihren Schreibtisch verlassen, um zu Mittag einen anderen Drachen zu erlegen. Nach nur 120 Minuten war die 70 an der Reihe. Die nächste war meine…denkste. Die 63 und 64, die die Anzeige vorher übersprungen hatte, wurden nun nachgeholt, ich beschäftigte mich mit Magenknurren, oder beschäftigte das Magenknurren mich?

Ein und siebenzig! An Platz Nr.3. Endlich! Ich ging durch die Tür zum Platz Nr.3, ohne jede menschliche Anwandlung stand da Brünhilde. Sie sah mich nicht an, sondern las irgendetwas auf einem irgendwie amtlichen Blatt Papier. Die konfuzianische Weisheit hatte mich in den vergangenen 150 Minuten schrittweise verlassen, ich fragte, ob ich…„Moooooomänt ja? Ick mussdet hier lesen!“ Dann ging sie für eine gefühlte Woche nach hinten, kam mit einem arg beklebten Umschlag zurück und fragte, was da denn nun drinne sei. Ich erzählte nochmal von der CD und meiner ehrenamtlichen Jurorentätigkeit et cetera, „ja, det mit der CD hamse janu jesacht, wat sollickn da machen, wenn Sie dit uffmachen und dit is mehr wert als erlaubt, müssnse Steuern zahlen, is det klar, ja?“ „Wissen Sie, ich riskiere das“, nahm den Umschlag und riss ihn auf und entnahm die CD „Cache 2012“ der CEC, drückte sie der Kämpferin in die Hand. Sie drehte die Scheibe lange zwischen den Fingern, kämpfte gegen eine gewisse Trägheit ihres Kopfes und fragte schließlich: „Wat solln da druff sein?“ „Musik“, sagte ich, „die CD ist nicht aus der Schweiz, sie ist aus Kanada, was soll denn da sonst drauf sein?“ „Allet Möglije kann da druff sein, ham siene Ahnung!“ „Gut“, sagte ich, spielen wir sie ab, dann spielen wir sie eben ab…“ „Det jehtnich so ohne weiteret“, sagte die Hulk; man merkte ihr an, dass sie Spaß daran hatte, mich warten zu lassen. „Jeschenk, ja, dis muss druffstehn aufem Umschlach.“ Stand es aber nicht. Außerdem war mein Spruch mit der Schweiz am Nachbarschalter gut angekommen, man lächelte amüsiert. Das war kein Erfolg für meine Feldwebellin. Ein renitenter Bürger. Macht faule Witze über die Schweiz auf ihre Kosten.

„Was machen wir denn nun?“ fragte ich. Wieder dieses Abtasten meiner CD mit spitzen Wurstfingern. „Es ist ein Geschenk, jeder kann sehen, dass das keine fünf Euro wert ist. Darf ich jetzt bitte meine CD entgennehmen?“ „Tja, det saren Sie“, sagte Frankensteins Tochter und gab die Sendung immer noch nicht heraus, merkte dann aber doch, dass die Aussicht, mich als Schmuggler zu entlarven, nicht groß war.
Widerwillig steckte sie die CD zurück in den gepolsterten Umschlag und händigte ihn mir aus. Ich bedankte mich und sagte: „Auf Wiedersehen! Oder besser nicht.“ „Scheint mir ooch so“, meinte Brünhilde.

Die Cache-CD 2012 hatte ich übrigens schon. Keine Ahnung, warum die Kanadier mir die nochmal geschickt haben.
©Hoeldke2016

Montag, 15. Februar 2016

Offener Brief an #zweitausendeins



Auf ein Wort:

Seit Ihre Läden geschlossen sind, ist meine Lust, bei Ihnen zu kaufen, gegen null gesunken. Nun, das ist für Sie bestimmt der oft erwähnte Sack Reis in China. Das Vergnügen, bei #Zweitausendeins zu stöbern, ist nun Geschichte. Für mich war es immer der Laden in der Kantstraße, den ich besucht habe. So etwa einmal im Monat habe ich die Bücherstapel in meiner Wohnung mit Hilfe dieses Ladens und seiner Mitarbeiter aufgestockt. Ich habe Dinge gekauft, die ich nicht wirklich brauchte, die mir aber beim Einkauf schon Freude gemacht haben. Nun muss schon ein vergleichsweise großer Zufall zu Hilfe kommen, wenn es ein Buch oder sonstiges Medium gibt, das ich benötige und in Ihrem Sortiment zu finden ist.
Immerhin: In Berlin haben Sie ein Ladenangebot im wohl finstersten Bezirk Wedding bereitgestellt, das hebt die Laune aber auch nicht beträchtlich.

Ein Beispiel. In Berlin werden die alten Gaslaternen zunehmend durch energiesparende Straßenbeleuchtung ausgetauscht. Ergebnis: Die Beleuchtung wirkt unangenehm kalt, die Nachtatmosphäre leidet sehr darunter, nachgerade ein Angiff auf die Stadt, die auf Touristenbesuche angewiesen ist.
Ein Journalist (war es Martenstein?) hat daraufhin vorgeschlagen, das Brandenburger Tor, das keiner wirklich "benutzen" kann, abzureißen und stattdessen eine Mehrzweckhalle am Pariser Platz zu errichten.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie scheitern, vielleicht nicht vernichtend, damit Sie die Chance wahrnehmen können, die Welt wieder ein bisschen schöner zu machen. Amazon eröffnet ja nun Läden, da bin ich sehr gespannt, glaube aber nicht, dass es Freude macht, dort zu stöbern. Vielleicht können Sie sich ja auch selbst entschließen, trotz geringerer Gewinne wieder ein paar Läden in einigermaßen attraktiver Lage zu betreiben.

Herzliche Wünsche für eine nutzbringende Geschäftskatastrophe,
Ihr Michael Hoeldke


Ich habe diesen Brief an service@zweitausendeins.de gemailt. Antwort: "Newsletter Abmeldung erfolgreich"

Montag, 8. Februar 2016

deep web - Christopher Bauder & Robert Henke im Kraftwerk #roberthenke #monolake #klangkunst #electronica #ctm2016

die decke des kraftwerk wird zum himmel, du weißt nicht, ob sky oder heaven, schau zu!, sonst bekommst du nichts ab vom leben.  helle kugeln an langen abstrakten, die nach anderen kugeln suchen, sich verbinden, jede kugel ist ein leben.
erst eine, dann eine andere, sie können miteinander, wollen miteinander, sie lieben und hassen sich, kein unterschied, sie müssen sich verbinden, bilden linien, gruppen, ein netz, viele netze.
ein monster über dir, ganz nah und in sicherer entfernung, schwerelos sich windend, tanzend, überall diese musik.
ein dom über dir, nie hat gott so gut ausgesehen.

netzwerke gebären sich selbst. verbindungen sind bewegungen, die materie netz existiert nur durch bewegung, so lebt sie.
das leben entwickelt sich: eine reihe leuchtet, tanzt was vor, lädt ein zum mitmachen, schnell findet sich was mit einer anderen reihe, sie leuchten zusammen, greifen Raum, die farbe gleich, rote welt.

bewegung bildet farbe, man findet sich, alles künstlich, alles virtuell, täuschend unecht wie das leben da draußen. das gefühl, im netz zu sein! die bewegung ist reine täuschung, deine augen machen gerne mit, atemberaubend schnell, miteinander ist gegeneinander, die freundschaft nur ein bild, alles bildet sich ab, immer schneller, nicht einmal das tempo ist echt. manche herrschen, andere folgen.

ist das ein stern? mann ist der groß! genauso viel masse, als wär er gar nicht da, die farben, die farben, DIE FARBEN!
nein, das sind ein paar sterne, sie bilden sich streng nach der regel, bis die regel zerfließt. und immer mehr farben
farben
farben
farben
FARBEN
jede einzeln
jede in freiheit
kein gebilde mehr
kein sinn mehr
kein verstehen mehr
freiheit

enden muss es

die frage nach dem leben stellt sich
die antwort stimmt

Jetzt raus an die Luft!


©hoeldke2015
#roberthenke #monolake #klangkunst #electronica #ctm2016