Freitag, 29. Januar 2016

Michael Vorfeld - "Glühlampenmusik" Performance und Gespräch im Berliner „ausland“


Klingender Schein

Der Perkussionst und Künstler Michael Vorfeld gastierte am 28.Januar 2016 im Berliner „ausland“  (Lychener Str.6) im Rahmen der Vorlesungs- und Konzertreihe „Die Reihe - Beiträge zu auditiver Kunst und Kultur“ des Elektronischen Studios der TU Berlin und des Studienganges „Sound Studies“ derUdK Berlin. Anschließend: Podiumsgespräch mit der Musikwissenschaftlerin Sabine Sanio.


Ich betrete den eher kleinen Konzertsaal des „ausland“, der betont spartanisch mit kleinen Notsitzmöbeln ausgestattet ist, bin früh dran, bekomme einen Sitzplatz in der ersten Reihe, sehr bald müssen die ersten Zuhörer stehen.
Ich sitze vor einem großen Tisch, der mit Leuchtmitteln, Schaltelementen und Kabeln völlig übersät ist. An einer Längsseite ist ein kleines Audiomischpult aufgestellt, das ist mit den Leuchten und Schaltern verbunden; es liefert die Klänge, zum Teil mit Tonabnehmern und Mirophonen eingefangen, an eine Saalanlage.

Michael Vorfeld macht Geräusche von Lampen zu Musik, Geräusche von Schaltern, Dimmern, den Leuchtmitteln selbst, manche kennen wir aus dem eigenen Haushalt, manche werden durch Verstärkung überhaupt erst hörbar. Sirren, Piepen, Brummen, Knacken und das, was Vorfeld daraus entwickelt.
Ich staune, wie viele verschiedene Lampentypen es gibt, wie viele davon auf der Tischfläche vor mir liegen, wie viele kleine Geräte, die ich nur zum Teil kenne und nur inetwa erkenne.

Vorfeld beginnt, die Saalbeleuchtung verlischt und macht Platz für die Lichter der Vorführung. Aus Knacksen werden Töne, sehr tiefe, andere sehr scharf. Ein Klang zieht sich wie ein Leitmotiv durch das Stück, das 40 Minuten zur Kurzweil werden lässt: Eine Art gläserne Glocke, vertraut im Klang, aber ein erstaunliches Eigenleben führend. Der Tisch wird dabei zu einem freundlichen Gewitter.

Der Künstler macht sehr schnell klar, dass hier Musik aufgeführt wird: Obwohl er improvisiert, rührt Vorfeld nie in einer trüben Suppe auf der Suche nach dem Weitergehen des Stücks, er wechselt einzelne Leuchten gegen andersartige, andersfarbige, er weiß jederzeit, was er tut, auch wenn die Entwicklung nicht bis ins Detail feststeht. Große Bögen entstehen, flächige oder rhythmische, bekannte, unbekannte Klänge bilden mit ihren Auftritten eine Satzstruktur, jeder Abschnitt hat seinen Charakter, jeder klingt anders, leuchtet anders, hat eine gute Konsistenz, die Klänge sammeln sich, sind aber kein Sammelsurium.

Vorfeld ist Musiker, er performt konzentriert, man sieht ihm an, wie wichtig das Gelingen ist. Und die Lampenmusik ist wirklich multimedial: Die Musik würde ohne die Lampen nichts besonderes darstellen, das kleine Leuchtmeer wäre ohne die Musik nichts besonderes, aber beide zusammen bilden eine Einheit, von der ganz erstaunliche Energie ausgeht. Der Klang, das Leuchten zeigen die Brüchigkeit unserer Wahrnehmung, man könnte hier ohne Strom gar nichts wahrnehmen, man denkt an den Energieverbrauch, an die Euro-Leuchtmittel. Aber die kritischen Gedanken können keinen Raum gewinnen, Gott sei Dank, in einem guten Restaurant isst man nicht wegen der Ernährung, man will genießen. Und das kann man an diesem Abend im „ausland“. Man kann die Augen schließen, das erhellt die Sache sogar noch. Schnell gibt man auf, herausfinden zu wollen, welche Lampe für welchen Klang leuchtet, man genießt die Kraft, die das Werk auf einen ausübt, den Rausch, den man empfindet, man lebt den Ritus, den Michael Vorfeld zelebriert, völlig focussiert, ganz ohne Caprice.

Es war so schnell vorbei: Ein leiser Schluss, ein Smorzando, aber ganz entschieden. Wir applaudieren gern, wir sind ist begeistert. Der Sound, von der Klangregie wunderbar in den Raum projiziert, lief ohne jedes Problem, war ein Kunstwerk für sich, die technische Leitung hatte ganze Arbeit geleistet. Forte ist eben nicht laut.

Nach der Performance das gefürchtete Podiumsgespräch. Sabine Sanio bereitet eine angenehme Enttäuschung. Sie stellt ihre Fragen so, dass man etwas über Michael Vorfeld und seine Kunst erfährt, seine Anfänge in der Klangforschung im Alter von vierzehn, die Arbeitsweise, mit der er seine Klänge verwendet, seine Gedanken über die Technik im Angesicht von Energiesparmaßnahmen. Sanio macht einen guten Job: Sie fand das Konzert selbst so gut, dass sie keine Lust hat, die Kunst mit Wissenschaft zu stören. Die Abschlussfrage, wie denn das Musikinstrument hieße, auf dem Michael Vorfeld spielt, bleibt unbeantwortet. Höchst befriedigend!

Ein toller Abend. Eintritt frei. Berlin ick liebe dir!

P.S. Wer möchte, gibt „Michael Vorfeld“ bei YouTube ein und kann sich einen Eindruck verschaffen.

©hoeldke2016




Mittwoch, 27. Januar 2016

„Herbert Brün - Musik verstehen“. Ab Februar im DEGEM Webradio @ ZKM - Slot A│Studioforum


Reminder


Der Komponist, Musiker und Forscher Herbert Brün ist eine schillernde wie in sich widersprüchliche Persönlichkeit. Er hat Musik als Informationsträger angesehen und ihre historischen Wesensmerkmale sehr stimmig entschlüsseln können.

Herbert Brün hat eine Vita, die wohl mit kaum einer anderen zu vergleichen ist. 1936 durfte er im damaligen Palästina studieren. Er hat dann in Jerusalem erfahren, dass die Nazis in Berlin seine Eltern ermordet hatten.

Sein Lebenswerk bestand darin, Kommunikationsbarrieren abzubauen. Musik ist ihm hierbei der wichtigste Informationsträger gewesen. Er hat die halbe Welt bereist und mit Vorträgen, Musik, und Graphiken erweitert.

Die Sendung „Herbert Brün - Musik verstehen“ ist die Rundfunkversion eines Vortrages, den ich im Herbst 2014 in Bern gehalten habe.

Ab Februar im DEGEM Webradio @ ZKM - Slot A│ Studioforum

Sendeplan DEGEM Webradio @  ZKM

Donnerstag, 21. Januar 2016

Was hat Elektroakustische Musik mit Heino zu tun? #electracoustic #heino





Quo vadis, oder: Was hat Elektroakustische Musik mit Heino zu tun?

Die Elektroakustische Musik ist aus dem Wunsch nach Wandel entstanden. Der Wandel in Richtung Innovation ist ihr ein ständiger innerer Motor. Trotzdem kann man nicht erwarten, dass das allen willkommen wäre.
Denn wie jede Revolution ihre Kinder frisst, hat sich auch hier ein neues Establishment gegründet, vielleicht um jedes Elektronische Studio ein eigenes, mit Gewohnheiten, Rollenverständnissen und Pfründen. Die Elektroakustische Musik ist selbst zum Bestand geworden.

Man hat damals in den Sechzigern Klaviatur, Dur, moll und Metrik auf den Index gesetzt, um eine Musikrichtung zu schaffen, die wirklich eine Neuentwicklung ermöglicht und nicht zurückgreift auf Vorhandenes. Dieses Verbot hat sich so sehr zum Dogma verselbständigt, dass bei der Entwicklung neuer elektronischer Klangerzeuger diejenigen beargwöhnt und zu Tabuobjekten erklärt wurden, die ein Klaviermanual aufwiesen; so sehr, dass ein Durakkord, der sich in diesem oder jenem Stück entwickelte oder einschlich, Kitschvorwürfe auslöste.

Wenn sich innovative Bewegungen etablieren (mehr können auch sie nicht), um dann ihrerseits neue Dogmen auszubilden, werden sie oft ärgerlicher als die Umstände, zu deren Bekämpfung sie einst angetreten waren. Der Grund hierfür ist, dass sich die Bewegten mit religiösem Eifer hinter ihren Ideen verschanzen, sich isolieren, Gedankenspiele nicht zulassen.

Was heißt das für die Elektroakustische Musik? Von Anfang an gab es kleine Denkscharmützel über grundsätzliche Fragen. Morton Subotnik sprach von „kleinen Schlachten“ in Europa, in denen es darum ging, „ob man ein Mikrophon nehmen darf oder nicht.“ Ergebnis ist gewesen, dass man die kalifornische Institution dann „Tape Music Center“ nannte. Und die war offen: Man hat in San Francisco z.B. über eine Zusammenarbeit mit Janis Joplin nachgedacht. Jeder Klang durfte Musik sein.

Die technologische Entwicklung bedingt, dass Elektroakustische Musik immer wieder neu gedacht werden muss.
Früher waren es nur die Studios für Elektronische oder Elektroakustische Musik, in denen Klangforschung betrieben wurde. Elektronik wurde groß geschrieben, war etwas besonderes, wollte entdeckt werden. In den Studios standen die großen Rechner, die man dafür brauchte, das hat sich grundlegend geändert. Kaum jemand braucht noch ein Studio, um Elektroakustische Musik zu machen. Oder doch?

Im Prinzip reicht heute ein Mobiltelephon. Den Klang, den es noch nicht gibt, gibt es nicht mehr. Damit ist aber auch eine Barriere gefallen, die „Amateure“ von „Professionellen“ getrennt hat. Auch Musiker ohne akademischen Hintergrund haben Zutritt zu elektronischen Musikwerkzeugen, den selben Werkzeugen, die auch „Studierte“ benutzen. Dabei kommen elektroakustische Verfahren auch in anderen Musikgenres zum Einsatz. Die Klänge, die man z.B. in Clubs hören kann, fordern also förmlich eine Fusion der Stile.
Dazu kommen zunehmend Klangerzeuger im Eigenbau - Software wird geschrieben, Geräte werden gelötet, montiert, geschraubt. Umfunktionierte Instrumente, erweiterte Studiogeräte oder völlige Neuentwicklungen machen große Schritte auf die Klangkunst zu. Die Nähe der Elektroakustischen Musik zur Klangkunst und zur Performance hat es schon immer gegeben.
Keine Skandalkonzerte mehr, bei denen man wütend den Saal verließ, wegen der Kunst, der geschändeten. Heute trifft man sich im Bioladen an der Kasse, ohne einen Hauch von Spannung. Die Elektroakustische Musik ist zum Stillstand gekommen.

Die Elektroakustische Musik braucht Anschub, egal, von wo. Ich habe via Hashtags Vokabeln nachgeschaut: Chiptunes, Glitch, Clicks’n Cuts, Fixed Media, alles auf der Suche nach neuen Eindrücken. Die ließen und lassen aber auf sich warten. Die Hashtags brachten nichts zutage, was ich nicht schon seit mindestens zwanzig Jahren kenne. Man klickt sich durchs Netz und hört, was Pink Floyd, Björk, the Buckinghams (60er Jahre!) gemacht haben, nur eben auf modernem Equipment. Man diskutiert über Künstler, die Stile mischen wie Triphop, Breakcore, Barock etc. mit anderen. Stile mixen. Kenne ich. Das macht James Last auch. Und Heino. Alle mixen sich was. Das muss jeder Filmmusiker machen. Musikgeschichte remixen, wie es halt so kommt. Im Westen nichts Neues. Ein bisschen mehr braucht es also schon.

#noise, #clicks&cuts, #chiptunes sind im Augenblick von Bedeutung, #Electronica hat sogar einen richtigen Markt. Das meiste wird wieder verschwinden, größtenteils, weil es der zweite Aufguss von irgendetwas früherem ist. Aber die Kids hören es und machen es, lass doch der Jugend ihren Lauf, und laufen wir mit!

Nur Vorsicht! Hashtaggen wir uns vorwärts, so werden wir ziemlich schnell auf dem Musikmarkt landen. Die Gefahr, sich allzu sehr zu kommerzialisieren, ist groß, das bedeutet, den Stillstand festzuzurren.
Aber: Forschen wir!  Erzeugen wir ein Spannungsfeld zwischen Erlaubtem und Verbotenem. Das ist immerhin ein Konzept, also auch recht aktuell.

Wir hätten damals die Chance gehabt, Tangerine Dream oder Kraftwerk gegenüber offener zu sein. Diese Chance gibt es nicht mehr. Was soll man also tun mit den Clubmuckern? Zuhören, Spaß haben, Abklopfen auf neues und dabei die Tradition am Leben lassen.

Wesentliches Merkmal der Elektroakustischen Musik ist immer das Experiment gewesen.  Die Bindung an Studios hatte immerhin den Vorteil, dass die Nähe zu Universitäten (zumindest in Deutschland und Europa) immer eine Nähe zur Forschung nach Neuland bedeutet hat. Die jungen Musiker müssen sich nun viel mehr „ums Geschäft kümmern“. So wird Geld allzu oft wichtiger als Kunst.

Aber vielleicht liegt im Remix das Geheimnis. Lassen wir Dinge zu, die verboten sind. Wagen wir den Heino. Er selbst muss es ja nicht sein. Bauen wir ein Spannungsfeld auf. Concept Art, nicht als Einzelströmung, sondern als Weg zur gegenseitigen Befruchtung. 
 
#electronicmusic #electronica #Electronic #electroacoustic #klangkunst 

©hoeldke2016

Freitag, 8. Januar 2016

Ab Februar im DEGEM Webradio @ ZKM: Herbert Brün - Musik verstehen

www.degem.de
#electroacoustic #herbertbrun

Ab Februar im DEGEM Webradio @ ZKM:

Herbert Brün - Musik verstehen



Herbert Brün


Der Komponist und Musiktheoretiker Herbert Brün (1918 - 2000) ist ein Wegbereiter der Computermusik. Ohne ihn ist der Einsatz der Informationstechnologie für die Musik in der heutigen Form nicht denkbar. Darüber hinaus hat er ein außergewöhnliches Leben gelebt.

Neben den Tätigkeiten als Komponist und Musikgelehrter war er auch Jazzpianist, bildender Künstler und vor allem Charismatiker, der wichtig wurde, als er seinen Leidensweg nicht so wichtig genommen hat.



 Als deutscher Jude in Berlin aufgewachsen, danach in Israel und den USA gelebt, ist er nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder gern gesehener Gast an europäischen und deutschen Akademien und Hochschulen gewesen. Herbert Brün ist ein Repräsentant großer menschlicher und intellektueller Kraft. Vielen Vertretern der Musik, Audiokommunikation und Informationsforschung gilt er als Idol.

Den Spuren, die Brüns Leben hinterlassen hat, ist dieser Radiobeitrag gewidmet, der auf seltene bzw. wenig bekannte Tondokumente zurückgreift.



H.Brün: Mutatis mutandis 13, Computergrafik, 60er Jahre (Ausschnitt)







Herbert Brün - Musik verstehen
Eine Sendung von Michael Hoeldke

Mittwoch, 6. Januar 2016

Tagesbeleuchtung



 Heute morgen, naja, es war halb zehn, sah ich aus dem Fenster und dachte: Oh! Was für ein schöner heller Tag! Und ich war froh. Dieser Tag konnte mich mit keiner trüben nicht enden wollenden Dämmerung von vornherein bremsen.

Und dann habe ich mich geärgert, dass es schon halb zehn war. Ich hatte bis nach 21 Uhr gearbeitet, spät gegessen und bin erst um zwei ins Bett gegangen. Eigentlich wollte ich heute morgen früher anfangen zu arbeiten.

Aber vielleicht wäre das Licht um halb neun trübe gewesen und hätte mich gleich mit eingetrübt? Ich bin nun mal empfindlich, was das Tageslicht angeht, und Weltschmerz bringt nicht immer Kunst hervor. So kann ein Scheißtag anfangen.  Es sei denn, ich mache das richtige. Ich sehe den trüben Morgen an und sage: „So kommst du mir? Das hast du dir so gedacht“ Und dann mach ich mir mein Innenlicht an und erwarte, dass es heller wird. Und fange den Tag an. Im Hellen.

©hoeldke2016