Freitag, 16. März 2018

Neue Kammermusik zum staunen - Blonk, Vorfeld, Wassermann im Berliner world in a room

Neue Kammermusik

Ein Konzert am 13.03.2018



Blonk, Vorfeld, Wassermann im Berliner world in a room

Das Trio hebt die scheinbar antipodische Widersprüchlichkeit der Instrumentengattungen Stimme/Perkussion auf. Das Schlagwerk singt, die Sänger trommeln, die Gravitation musikalischer Regelwerke scheint aufgehoben. Doch wer meint, nun sei die Revolution ausgebrochen und mit ihr würden aufgeregte und irritierte Fragen auftauchen, der irrt. Der Abend bringt Musik und keinen ästhetischen oder gar politischen Diskurs. Neue Musik, trotz ungewohnter Spiel- und Singtechnik so gekonnt vorgetragen, dass sie sich jedermann erschließt, ohne jeden Anflug von Beliebigkeit.

Neues erklingt. Nichts ist fremd. Dass man einem Schlagzeug kantable und einer Stimme perkussive Klänge abgewinnen kann, ist für niemanden ein Wunder. Die Art, auf die das an diesem Abend geschieht, erstaunt darum umso mehr.

Die beiden Vokalisten Jaap Blonk und Ute Wassermann vermögen es, mit Einsatz von Brust- und Kopfstimme und Modulationen von Vokalen, Konsonaten, Formanten, Gutturallauten oder Sprechgesten eine Klangwelt zu schaffen, deren Erforschung man nur gerecht wird, indem man nicht versucht, dieses Stimmfeuerwerk technisch nachzuvollziehen, sondern sich dieser Klangwelt stellt. So lohnt es sich, Ute Wassermanns mitgebrachtes Instrumetarium, das sie auf einem kleinen Panel bereit hält, mit geschlossenen Augen zu lauschen, also nicht deren Einsatz als Zuschauer zu überwachen. Wassermann setzt ihre Vogelstimmen, Pfeifen und anderen kleinen Klanggesellen sehr diskret ein, vermischt sie mit ihrem Gesang, lässt Stimme und Instrument überblenden, die Technik, sobald sie beherrscht ist, tritt in den Hintergrund, der Klang zählt. Wassermanns Stimmgewalt lässt jede Angestrengtheit verschwinden.
Jaap Blonk ist mehr als nur Vokalist, sein Auftritt umfasst neben dem Gesang den ausgiebigen Gebrauch von Kehlkkopf, Lippen, Atem. Da vermischt sich in einer leidenschaftlichen Affäre der Konsonanten f und b das Lippenpaar zu einem Triller im Crescendo, im nächsten Augenblick tritt Blonk vor, um mit der Geste eines sympathischen Conferenciers vemittelnde Worte zu sprechen, vorgetragen mit großem Charme. Später wird man Zeuge eines Schreis, ausgestoßen als Bekundung großen Schmerzes. Blonks variable Stimme sorgt für so manche Überraschung. Hört und schaut man ihm zu, begegnet man in seiner Performance gewiss einem Menschen, der man selber schon gewesen ist.
Beide Vokalisten schaffen es, im akusmatischen Sinne Räume zu schaffen. Die stimmlichen Äußerungen scheinen manchmal deutlich vor dem Gesicht der Sänger zu stehen. Die Zweistimmigkeit bildet oft einen gemeinsamen Klangkörper.

Für den Perkussionisten Michael Vorfeld gibt es keine Genregrenzen. Sobald er ästhetische Gebieten Gemeinsamkeiten abgewinnen will, wird er diese auch finden. Man kennt seine Kompositionen aus Lichtquellen und Lichtwelten aus Klang. Sie verbinden scheinbar unvereinbares, Licht klingt, Klang leuchtet. Heute spielt er gänzlich ohne Strom, obwohl elektrisierend. Heute sollen nur die Klänge leuchten.
Vorfeld versammelt eine Reihe zunächst unspektakulär wirkender Instrumente um sich, die er aber mit großer Selbstverständlichkeit neu interpretiert. Wichtige Sinnträger sind Geigenbögen, von denen er zeitweise zwei gleichzeitig einsetzt, auf Trommeln, Becken, Gong, Klangschale. Der Klang wird zum Sinn: Schlagzeug singt. Auch wenn Vorfeld schlägt, ist der Klang kantabel, als Solist oder im Chor, sein Instrumentarium ist vom Groove- und Beatgeber zum Vokalensemble geworden, zum Chor, verkleidet als Schlagzeug. Besondere Rolle spielt ein Streichinstrument, mit zahlreichen Klaviersaiten bestückt. Über vier Bünde gezogen, erhält Vorfeld drei unterschiedlich gestimmte Bereiche, die er mit seinen Geigenbögen streicht und streichelt, zu stehenden Arpeggien, die er behutsam, aber entschieden in sein Spiel hineinfließen lässt. Ständig muss Vorfeld neu registrieren, im Verlauf einer Phrase wechselt er oft mehrmals das Instrument. Man ist oft erstaunt, dass die Perkussion von nur einer Person gespielt wird.
Grund- und obertöniges Material schickt er damit auf die Reise, zu unseren Ohren und zu seinen beiden Partnern.

Sofort nehmen die Klänge den Hörer an der Hand und entführen ihn in ein Farbenreich, das zu sehen staunen macht, dessen Sinn aber nie im Verborgenen bleibt: Dieser Sinn heißt Musik.
Klangfarben, Phrasierungen, Ostinati, Rufen, Sprechen, Trommeln, Streichen bilden eine klare musikalische Sprache, ein Becken singt unisono mit menschlicher Stimme, freundliche Ansprache führt zu kontrollierten Explosionen, ein letzter Seufzer wird zum ersten, das Schlagwerk erklingt mit beiden Sängern im Satz.

Hauptakteur ist die Interaktion, das Zuspielen der Bälle, das Aufeinderhören, das Raum Geben. Jeder der drei Performer kann zum Aliquot eines anderen werden. Wird der Grundton leiser, wird der Klangfärber selbst zum Solo, läutet einen ein neuen Abschnitt des Stücks ein. Es gibt keine Partitur, kein Notat. Trotzdem entstehen echte Kompositionen.

Das Programm umfasst vier Stücke: Drei Duos - jeder mit jedem eines - vor der Pause, ein großes Trio nach der Pause.
Vorfeld, Wassermann und Blonk überwinden Widersprüche. Improvisation ist hier fern vom Zufall und bietet doch allen Raum für Spontaneität. Eigene Eitelkeit lässt immer Raum für die der beiden anderen. Man trägt einen Schatz zum Publikum, gemeinsam, zeigt ihn. Jeder darf sich etwas nehmen, es ist genug da. Alle drei Vortragenden verbindet eine Musizierfreude großer Strahlkraft.

Dies und noch mehr so geschehen im „world in a room - projektraum für fotografie“ in der Schöneberger Brunhildstraße. Eine kleine Galerie, ein wunderbarer Ort in berlinischer Altbauumgebung, voll Kunst und voll Klang.


world in a romm: https://www.worldinaroom.de/

Jaap Blonk: http://www.jaapblonk.com/
Ute Wassermann: http://femmes-savantes.net/lesfemmessavantes/ute-wassermann/
Michael Vorfeld: http://www.vorfeld.org/

©hoeldke 2018

Samstag, 10. Februar 2018

Charmanter Container - Die hyperMOODbox im Frankurter Hauptbahnhof


Charmanter Container

Noch bis zum 15. Februar soll sie stehen bleiben: Die hyperMOODbox dreier Frankfurter Künstler: Der Komponistin Annesley Black, des Künstlers und Komponisten Marc Behrens und der Sängerin, Performerin und Künstlerin Julia Mihaly. Platziert in die Halle des stets dicht bevölkerten Eingangsbereichs im Frankfurter Hauptbahnhof.

Entrée and welcome, please be seated! Sechs „Moods“ auf sechs Sitzplätzen in einem Abteil, jeder Platz ausgestattet mit einem Bildschirm, einem Kopfhörer und einer Steuerbox mit sechs Druckknöpfen, versehen mit je einem Emoji, von heiter bis traurig oder wütend. Drückt man einen dieser Knöpfe, bekommt man ein Video präsentiert, das zum gewählten Emoji passt, komponiert aus bewegten Bildern von tanzenden, lachenden, traurigen, wütenden Menschen, Bahnhofszubehör wie Hallen, Gleisen und Zügen und Musik, alles spielt sich im Frankfurter Hauptbahnhof ab. Drückt man den selben Knopf mehrmals schnell hintereinander, verleiht man dem jeweiligen Film ein Eigenleben, das der Zuschauer ihm einhaucht. Das nennt man fachlich-korrekt interaktiv, muss man aber nicht. Am Ende entsteht etwas wie ein Song, ein Remix aus aufgezeichneten und vorbereiteten Teilen, unmöglich festzustellen, woher gerade was kommt, denn es ist lebendig.

Mihaly, Behrens und Black verstehen es, echte Substanz mit einer heiteren Leichtigkeit auszustatten, so dass man auch die negativen Moods in etwas positives verwandelt, seien es die im Video gezeigten oder auch die selbst empfundenen. Die Gesichter unter den Kopfhörern lächeln, sind entspannt, setzen der „echten“ angespannten Welt eine erdachte, heiterere, aber nicht minder echte entgegen.

Wozu die Hektik?
Wozu der Stress?
Lass sie raus, die Träne, dann kann sie verdunsten!
Wozu weinen, wenn man lachen darf?

Hier darf man etwas. Hinein in einen Container voller Charme, naschen von der eigenen Seele! Ein öffentlicher Platz für eine Entspannungsmassage des Empfundenen, heiter, undogmatisch und uneitel.
Alles ist äußerst gekonnt gemacht. Wunderbar, dass es solche Künstler gibt und Institute, die bereit sind, etwas dafür zu bezahlen.

hyperMOODbox auf dem Frankfurter Hauptbahnhof. Hin und sich freuen!

Annesley Black: www.editionjulianeklein.de/black
Marc Behrens: www.marcbehrens.com
Julia Mihaly: www.juliamihaly.net

Gemeinnützige kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH
kulturfonds-frm.de


(Im April wandert die hyperMOODbox nach Darmstadt, im Juli nach Wiesbaden, und immer: Hbf)

Sonntag, 21. Januar 2018

Quo vadis, TU-Studio?

Was wird aus dem TU-Studio?

Am 17. Januar 2018 durfte es noch einmal aufleben, das Elektronische Studio der Technischen Universität Berlin: In der Veranstaltungsreihe EM4 hatte man zum zweiten Mal in die Akademie der Künste gebeten, um Musik, produziert zwischen 1978 und 2004 im TU-Studio, zu präsentieren.
 Besonders war im Anschluss an das kleine Konzert in einem Podiumsgespräch mit Folkmar Hein von der Zeit die Rede, in der er, Hein, der Studioleiter war, in den Jahren 1974 bis 2009. Hein ist das, was man in der Wirtschaft wohl einen dynamischen Menschen nennt, allerdings ohne die unter Geschäftsdynamikern übliche Geld—Macht-Attitüde. Und seine Dienstzeit war die, die man als die bemerkenswerteste Periode des Studios bezeichnen kann. Vorher hatte Boris Blacher das Studio geleitet, da hatte der Wiederaufbau-Mythos noch seine Gültigkeit, nach 2009 flaute der künstlerische Output merklich ab, der Geldhahn wurde allmählich zugedreht, besonders für die personelle Gestaltung. Kein Interesse mehr von Seiten des TU-Überbaus?

Hein hat dieses Studio erblühen lassen, indem er die Einseitigkeit des Namens Technische Universität unwirksam werden ließ. Dies war durchaus im Sinne der Namensgeber der TU, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch „Technische Hochschule“ hieß. Bei ihrer Neugründung 1946 als Universität wurde das Prinzip des studium generale eingeführt, demzufolge jeder dort Studierende auch einen Mindestanteil an nicht-technokratischen Studien wie Germanistik, Kunstgeschichte oder Musikwissenschaft absolvieren musste. Dies sollte allen künftigen deutschen Regierenden erschweren, die technikaffinen Studienfächer für mögliche Kriegsmaschinerien zu instrumentalisieren. All dies unter dem wohlmeinenden Blick der britischen Stadtkommandantur, die für Berlin-Charlottenburg zuständig war.

Folkmar Hein griff diesen Gedanken auf, als er am 1.Oktober 1974 die Leitung des Studios übernahm. Seine zunehmenden Kontakte zur UdK (damals noch HdK) und zur Akademie der Künste sowie zum Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) öffneten den damaligen Fachbereich „Kommunikationswissenschaft“ in Richtung Kunst und vor allen Dingen in Richtung Musik, der nobelsten aller Kommunikationsverfahren. Das Studio entwickelte sich mehr und mehr zu einer Einrichtung für Technologie und Musik. Heins erwähnte Dynamik zeigte sich in dem Vermögen, Kontakte zu knüpfen und Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Einen für West-Berliner eigentlich nicht zu begehenden Weg, nämlich den in die DDR schuf er, indem er die ostdeutschen Künstler einfach in anderen Ländern des Ostblocks traf, zum Beispiel beim „Warschauer Herbst“ in Polen. Eines der bedeutendsten Projekte stellte das Festival „Inventionen“ dar, das für viele nationale und internationale Protagonisten der Elektroakustischen Musik die Türen öffnete.
Darüber hinaus schuf Hein eine Mediathek mit über 10.000 Titeln und die Internationale Dokumentation Elektroakustischer Musik mit mittlerweile über 35.000 Titeln, Kosename „EM-Doku“. Jeden Donnerstag während der laufenden Semester fand seit 1985 die Schauveranstaltung „Elektroakustische Musik Hören“ statt, bei der neue Werke und ihre Schöpfer vorgestellt wurden. „EMH“ wurde von Heins Nachfolgern Bartetzki, Straebel und Pysiewicz noch bis 2015 weiter betrieben. Um eines nicht zu vergessen: Zahlreiche Komponisten, namhafte und weniger namhafte, konnten in dem Elektronischen Studio der Technischen Universität unter fachlicher Anleitung und mit tatkräftigem Beistand arbeiten.

All dies war aus zwei Gründen möglich:

1. Der Studioleiter war eine unbefristete Vollzeitstelle, die es ihrem Inhaber ermöglichte, mittel- und langfristig zu planen.
2. Folkmar Hein schaute nicht auf Arbeitszeiten, man kann ihn ohne Einschränkung als Idealisten bezeichnen. Viele Aktivitäten betrieb er aus Eigeninitiative und unter Einsatz persönlicher Mittel.

Als er 2009 in den Ruhestand ging, wurde die Stelle Heins abgeschafft und durch ein neues Modell ersetzt: Zwei Nachfolger erhielten auf fünf Jahre befristete Verträge, das Aufgabengebiet wurde aufgeteilt -neudeutsch „gesplittet“- in technische und künstlerische Leitung. Ihre ersten Inhaber waren André Bartetzki und Volker Straebel, die diese Aufgabe gut meisterten, obwohl die Motivation, die eine halbe Fünf-Jahres-Stelle evozierte, bestimmt nicht überbordete. Andreas Pysiewicz und Henrik von Coler machten danach oft unmögliches möglich. Sie hatten nach Straebel und Bartetzki die „technische Leitung“ inne. Und die künstlerische? Machten sie nebenbei freiwillig, und zwar gut. Man schaute auch weiterhin nicht auf einen arbeitsrechtlich garantierten Feierabend. Danach schrumpfte die Stelle auf ihre Hälfte. Nun hat Henrik von Coler die Aufgabe, das Studio allein zu leiten.

Der Fachbereich hat inzwischen einen neuen Namen: „Audio-Kommunikation“. Ein moderner Name, von dem man nicht weiß, ob er sich auf die Elektroakustische Musik an der TU irgendwie auswirken wird. Oder war das alles zu viel Kunst für eine Technische Universität? Noch ist das Studio da, am Einsteinufer 17c. Wird es sich noch einmal aufschwingen? An den Studiomitarbeitern liegt es nicht. Die sind nur so umfänglich beschäftigt, dass sie gar nicht mehr dazu kommen, die EMDoku zu pflegen, die „Inventionen“ zu reanimieren oder Komponisten dort arbeiten zu lassen. Schaut man auf die Verstaltungsseite der Studiohomepage, fällt die fehlende Dichte auf (http://www.ak.tu-berlin.de/menue/elektronisches_studio/produktionen_und_konzerte/parameter/maxhilfe/). Sollte das nun alles gewesen sein?

Keine Frage an die Mitarbeiter des Studios, sondern an die Technische Universität Berlin: Das TU-Studio ist ein Forum und ein Multiplikator für die Elektroakustische Musik gewesen. Und damit für das studium generale. Ist diese Zeit nun vorbei? Vielleicht eine naive Frage.

©hoeldke 2018

Sonntag, 21. August 2016

#Orge l-Experimente ‪#‎Bern‬/‪#‎Biel‬, CH, Köln, demnächst auf #HR2 #Musik #neuemusik

 Neue Klänge, alte Töne.

Offenbar meint man immer noch, sich für neue ‪#‎Orgeln‬ und Neue Musik entschuldigen zu müssen. In der Kölner Kunststation St.Peter war eine Führung, während mir der dortige Organist Dominik Susteck die Orgelanlage für meine neue Sendung erklärte. Die Führerin kommentierte die Klänge, die ‪#‎Susteck‬ mir vorgeführt hatte, u.a. mit den Worten: „Solche Musik muss man mögen.“
Kann ich nur sagen: Nein. Muss man nicht. Aber man darf.


In Bern und Biel hat man sich dem Zugriff auf den Wind durch den Spielvorgang auf der Klaviatur zugewandt, dies bringt neue Ausdrucksmöglichkeiten im musikantischen Bereich, Akzente durch veränderte Anschlagsintensität bzw. Sforzati bringen ein Mehr an Vitalität ins Spiel von Einzellinien. Die Möglichkeit, den Winddruck nicht nur zu drosseln, sondern auch zu erhöhen, ist in der hier realisierten Form einzigartig im Orgelbau. Klangliche Veränderungen können bei mehrstimmigen Spiel durch reine Windregulierung und ohne Registerwechsel herbeigeführt werden, das heißt, es gibt so etwas wie eine wind-interne Registrierung durch Über- und Unterblasen. Der Interpret muss sein Tastenspiel auf ein dynamisch sensibles Instrument einstellen, das man so nur mit mechanischer Traktur bauen kann.

In ‪#‎Köln‬ findet man dagegen eine elektronisch gestützte Orgel vor, die man mit einer Vielzahl von ‪#‎Registern‬ ausgestattet hat, die z.T. erstmals in einer Kirchenorgel verbaut worden sind. Diese kann man mit großer Variationsbreite untereinander kombinieren, was, verbunden mit zwei Winddrosseln für die zwei Teilorgeln auf dem Wege der Registrierung zu einer großen Flexibilität der Klanggestaltung führt, die viele Kompositionen wesentlich organischer klingen lässt. Eine solche Variabilität fordert nachgerade eine elektrische Registertraktur, damit man eine Setzeranlage mit 4000 freien Kombinationen nutzen kann. Zusammen mit der Transponierbarkeit der ‪#‎Koppeln‬ werden die Forderungen, die die neue Musik stellt, mehr mit den Registern erfüllt als im Spielvorgang.
Im Herbst soll auf ‪#‎HR2‬ davon die Rede sein. In zwei neuen Folgen der Reihe „Werkzeuge der Neuen Musik“. Über die Orgel.

©hoeldke2016

Montag, 15. August 2016

#Orgel-Glissando - erotisch? #Orgelmusik im Wandel





Der gerade, in der Höhe gleichbleibende Orgelton, das ist der Wille Gottes.

So oder so ähnlich versuchten gewisse Orgelbauer noch 1998 in Trossingen die Ideen einer Gruppe von Orgelexperten zu kritisieren, die sich zum Ziel gesetzt hatte, neue Wege im #Orgelbau zu gehen.
Schon 1961 hatten in Bremen ein Konzert im Bremer Dom abgesagt, aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell hieß. Auf diesem Konzert sollte Musik von Ligeti, Kagel und Hambraeus aufgeführt werden. Neue Musik. Atonal. Unsingbar. Schreien, Pfeifen, Klopfen auf der Orgelempore. Beunruhigend. Später sollte zu einem Stück von Hans Otte auch noch getanzt werden. Evangelisches Grau war in Gefahr. Nun war man doch schon entmachtet, niemand glaubte mehr das jungfräuliche, und jetzt passierten so fürchterliche Dinge. Und sie nannten das „Neue Musik“. Ein Sicherheitsrisiko.

Eine Orgel ist eben kein normales Musikinstrument. Man kann sie nicht einfach woanders spielen, wenn ihre Musik vor Ort nicht erwünscht ist.
Eine Orgel ist immer gebunden an ihren Standort. Die Menschen, die sie umgeben, machen sie zur Anwohnerin oder zur Gefangenen des Hauses.

Wird ihr Betragen goutiert, wird sie geliebt. Das entscheiden sowohl diejenigen, die sie spielen, als auch die, die bestimmen wollen, was gespielt wird. Letztere sind allzu oft diejenigen, die nichts von Musik verstehen. Aber von Grau. Und von Jungfrauen. Und haben das Sagen. Aber nur noch in der Kirche.

Die #Orgel hat etwas jungfräulich-unbeholfenes, ist mehr ein Gerät als ein Instrument, ist mehr physikalisch als musikalisch. Ein Ton auf ihr wird an- wird ausgeschaltet, ganz einfach; diese Primitivität hat durchaus ihre Berechtigung, schließlich ist der Ursprung der Orgel ein paar Jahrtausende alt. Erst der orgelspielende Mensch verleiht der Physik seine Musikalität, begegnet der gepanzerten Grobheit mit Menschlichkeit, muss tricksen in einer Welt des Unumgänglichen und ewig Bestehenden und Feststehenden, um etwas Bewegung hineinzubringen.
Nur ist der Irrtum der, dass der starre, der unverrückbare Orgelton nicht göttlichen Willen, sondern menschliche Unbeholfenheit repräsentiert. Den Musikern gelingt es immer wieder, diesen Sauriern fließende, ja elegante Bewegungen zu entlocken, letzten Endes bleibt Orgelmusik aber in gewisser Weise übergewichtig, unfähig zu echtem Legato.

Die Königin will ein neues Lied. Dafür muss sie noch ein paar Töne lernen, was heißt, ein paar? Es sind viele neue Töne, viele neue Klänge. Dafür ist sie bereit, die Schulbank zu drücken, sich ein neues Herz und auch eine neue Lunge zuzulegen. Denn sie wird mehr Luft brauchen, viel mehr. Denn die Königin will singen. Ein neues Lied.

Wenn Gott eine Sprache hat, ist es die Musik. Das weiß jeder. Sogar die Atheisten. Wenn sogar die das zugeben, soll Gott doch bitte so reden, wie sich das in einer Kirche gehört. Dafür braucht man keine neuen Instrumente. Eine Orgel, die rauscht, jault und schlägt, braucht man nicht. Die ist gottlos. Man hat sich mal festgelegt, wie Gott redet. Bei Bach. Bei Reger. Bei Liszt. Messiaen noch, aber dann ist Schluss. Das muss angenehm klingen, damit keine Zweifel aufkommen.

Ab dem Zwanzigsten Jahrhundert hat Gott nämlich nichts neues mehr gesagt. Oder doch?

Sie hießen #Ligeti, #Otte, #Bares, Peter, #Zacher und #Kagel. Sie heißen #Susteck, #Glaus, #Szathmáry, Böttcher, #Alfter und Van #Coppenolle.
Zum Glück waren es so viele, sind es so viele, dass man sie hier nicht alle nennen kann:
Diejenigen, die die Königin zum Lachen, zum Schreien, zum Jaulen, zum Atmen und zum Keuchen bringen.
Klingt das erotisch? Ja, und vielleicht ist das der Grund, dass man meint, so könne Gott nicht sein, das könne er nicht wollen. Zum Glück greifen immer wieder Menschen ins Gottgewollte ein.

Im Herbst soll auf HR2 davon im #Radio die Rede sein. In zwei neuen Folgen der Reihe „Werkzeuge der Neuen Musik“. Über die Orgel.

So weit der Werbeblock.

©hoeldke2016


Mittwoch, 10. August 2016

Pfeifendünkel - Plädoyer für Digitalorgeln (Eine traurige Orgel-Glosse)



Es herrscht Dünkel in der Welt der Orgeln, wie überall in der Musik. Bei den Recherchen für meine Sendungen auf HR2 konnte ich mich dem gar nicht entziehen. Selbst bei Künstlern von höchsten Graden sind Ressentiments gegenüber Kollegen und Musikrichtungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und gewissermaßen haben sie alle ihre Berechtigung, die Künstler, die Richtungen, und auch die Ressentiments dagegen.
Jedes Thema ist geeignet. Wenn man sich für etwas entscheidet, entscheidet man sich gegen etwas anderes. Diese Ablehnung zeigt sich bei manch einem nur durch stilles Nichterwähnen, bei anderen wird man bei einem Gespräch in eine bestimmte Richtung lanciert, und dann gibt es Zunder: Gegen Ligeti, gegen Schlagzeug-Register, gegen Taizé, gegen Jazz auf der Orgel. Die Palette ist breit, jeder fordert sein Privat-Zölibat. Alle wettern!

Aber alles hat seine Grenzen, besonders, wenn es an die Verhinderung normaler kirchlicher Abläufe geht. Ich bin einige Dutzend Male im Jahr nebenberuflich als Organist unterwegs, häufig in Krankenhäusern, wo ich ziemlich beliebt bin: „Endlich passiert was im Spitals-Zwangstacet!“ In den dortigen Kapellen finden sich umständehalber kleinere Instrumente, oft elektronische Orgeln. Wenn die betagt sind (25-30 Jahre), sind die metallenen Bauteile oxydiert: Defekte Tastenkontakte sorgen dafür, dass nicht alle Töne, die ich spiele, auch erklingen. Schmutz, der in die Ritzen zwischen den Klaviertasten gefallen ist, sorgt für Hänger (Töne, die nicht ausgehen). Die Registertaster knacken oder funktionieren zum Teil gar nicht. Die Fußschweller sprechen nur unzuverlässig an. Es ist eine Strafe, auf solchen Instrumenten seinen Dienst zu versehen, geschweige denn, etwas aus der Literatur vorzuspielen.

Mein Lieblingsbeispiel: In einer Krankenhauskapelle in Wannsee befindet sich die dortige Ahlborg-Orgel in besonders beklagenswertem Zustand. Eine Reparatur kommt nicht in Frage, die Kosten würden den (Rest-)Wert des Instruments übersteigen, und nach drei Jahren wäre die Orgel in schlimmerer Kondition als im Augenblick, weil die Reparaturen Flickwerk wären; denn es gibt keine Originalteile mehr, der Reparateur müsste herumtricksen, das ist fast nie eine gute Lösung. Ein neues Instrument (5000,- bis 7000,-) ist mehr als fällig. Der Krankenhaus-Überbau stellt sich quer, was Finanzierung angeht.

Ich wandte mich an das Evangelische Konsistorium. Von dort schrieb mir einer der dortigen Ober-Kirchenmusiker einen zweiseitigen Brief, in dem er mir die Nichtzuständigkeit dieser landeskirchlichen Behörde darlegte, gleichzeitig aber auch ein erschreckendes Zeugnis  seiner Haltung gegenüber solchen elektronischen Instrumenten abgab. Er verwies, dass es im Besteben der Landeskirche läge, nur Pfeifenorgeln zu fördern und meinte, dass es in der betreffenden Krankenhauskapelle eher angebracht sei, eine kleine Pfeifenorgel zu installieren. Nun mag er ja mit der kirchenmusikalischen Praxis an so unbedeutender Stelle nicht mehr recht vertraut sein. Er schien aber zu meinen, dass er sich über den technischen Stand des elektronischen Hausorgelbaus gar nicht informieren müsse. Für ihn sind und bleiben Elektronische Kirchenorgeln minderwertige Surrogate.

Ein digitale Orgel klingt längst nicht mehr so künstlich wie noch vor zwanzig Jahren, und das hat seinen Grund: Die Töne sind gesampelt, das heißt, man hört Originaltöne, die aufgenommen wurden, und die man für die Tastatur spielbar gemacht hat, Register für Register. Ein Standardinstrument bietet die Auswahl zwischen verschiedenen unterschiedlichen Orgeln (z.B. Barock, Romantik etc.), dazu mehrere Stimmungen (Gleichschwebend, mitteltönig, Werckmeister etc.). Zwar hat man es immer noch mit einem Imitat zu tun, doch handelt es sich bei einem solchen digitalen Instrument durchaus um eine ernstzunehmende Orgel, auf der man sogar mittelgroße Stücke der Orgelliteratur durchaus spielen kann. Man findet neben der genannten Auswahl an verschiedenen Grunddispositionen etwa 30 Register mit allen notwendigen Spielhilfen. All das wusste der Schreiber des freundlichen Antwortbriefes aus dem Konsistorium offenbar nicht, und er meinte, das auch nicht wissen zu müssen.

Zum Vergleich: Eine (gebrauchte) Kleinorgel mit Pfeifen und Gebläse für immerhin 10.000,-€ bietet vielleicht fünf Register, angehängtes Pedal (Achtfuß, also ohne Tiefbass) und hat nur ein Manual. Dadurch hat man keine Möglichkeit, triomäßig zu spielen, d.h. in der Praxis, die Melodie eines Chorals hervorzuheben, indem man sie auf einer anderen Tastatur spielt; die Gemeinde kann dann besser mitsingen. Ein entscheidender Teil des Bach’schen Orgelbüchleins lässt sich darauf auch nicht oder nur unter großen Einbußen spielen, ganz zu schweigen von französischen Romantikern. Dennoch meinte man im Konsistorium, nur eine „wahre“ Orgel sei es wert, „Orgel“ genannt zu werden. Ich bewundere Kompetenz, wo immer sie auftaucht.

Es ist überhaupt nicht in Abrede zu stellen, dass eine Digitalorgel kein Ersatz für ein Pfeifeninstrument in einer großen Kirche sein kann (und auch nicht will). Für eine Krankenhauskapelle mit 40-50 Plätzen ist aber ein modernes elektronisches Instrument die bessere, weil variantenreichere Wahl für bessere Musik. Eine Pfeifenorgel in vergleichbarer Preislage klingt zwar vielleicht voller, aber wegen seiner wenigen klanglichen Möglichkeiten einseitig und im Ergebnis langweilig.

Nun habe ich während meiner Stoffsammlung für meine Orgelsendungen einige bedeutende Vertreter der zeitgenössischen Orgelmusik kennengelernt, die die Kirche oft gegen sich hatten. Allerdings muss man zu Gute halten, dass damals (in den 60ern) eine musikalische Revolution stattfand, also echte Umwälzungen in Komposition und Orgelbau, damit kann man schon mal anecken. Man hatte es mit einer Musik zu tun, die wenig gewohntes bot und die trotzdem höchst kunstfertig war, was man beweisen musste. Dazu kommt bei Kirchens immer die Angst dazu, dass sich etwas ändern könnte.

In meinem Fall ging es einfach darum, eine Krankenhauskapelle mit einem geeigneten Instrument für gottesdientliches Spiel und ab und zu ein kleines Konzert auszustatten. Ich weiß sehr wohl um den Wert und den Klang einer großen Kirchenorgel, ganz besonders, wenn ich selbst mal darauf spielen darf. Aber ich sehe nicht ein, dass in kleinen Kapellen ein Zwang zu Minimalismus, ausgedrückt in den ewig gleichen fünf Registern und einem Bass, dem schlicht eine Oktave fehlt. Dazu kommt, dass, wenn man den Wünschen im Konsistorium nachkäme, das Projekt in noch weitere Ferne rücken würde, da ein Pfeifeninstrument sehr viel teurer wäre.

Ich glaube, ich bin jetzt wieder ein Stückchen besser instruiert, warum es mit der Musik in Kirchen abwärts geht. Denn ich hatte ja bei meinem Schriftwechsel niemanden von der Geistlichkeit vor mir, dem man ja eine gewisse musikalische Unwissenheit zu billigen mag, sondern einen vorgesetzten Musiker des Kirchenkreises.

Dünkel erdrückt notwendigen Pragmatismus.
©hoeldke2016

Freitag, 8. Juli 2016

Jerôme Boateng - Eine Deutsche Eiche


Typisch deutsch!

Von mangelnder Chancenverwertung wird geredet, vom bösen Schiri und dem ungerechten Elfmeter, von den abgezockten Franzosen. Der eigentliche Todesstoß für die deutschen EM-Träume wird von den meisten Kommentatoren unterschätzt: Der Ausfall von Jerôme Boateng.

Dieser Glücksfall einer „Deutschen Eiche“: Stark, zuverlässig, fleißig, führungsstark. So stellt man sich einen echten Deutschen vor, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Leider oft ein wenig zu ernst, ist seine Arbeit eben besser als die der meisten anderen. Er behält die Ruhe im Spiel, denkt an das Wohl der Mannschaft und zieht sie mit. Vertrauen zu ihm heißt Vertrauen zu sich und zur Mannschaft. Solche Männer braucht das Land. Charakter und Disziplin sind gefragt, Fairness und deutsche Wertarbeit.
Solche wie er gehören in die Eliten, noch ein paar, bitte! Farbe? Egal.

Der Wald besteht beileibe nicht nur aus Eichen, fest steht jedoch: Ist sie krank, leidet der ganze Wald.

Gute Besserung!

©hoeldke2016