Montag, 15. August 2016

#Orgel-Glissando - erotisch? #Orgelmusik im Wandel





Der gerade, in der Höhe gleichbleibende Orgelton, das ist der Wille Gottes.

So oder so ähnlich versuchten gewisse Orgelbauer noch 1998 in Trossingen die Ideen einer Gruppe von Orgelexperten zu kritisieren, die sich zum Ziel gesetzt hatte, neue Wege im #Orgelbau zu gehen.
Schon 1961 hatten in Bremen ein Konzert im Bremer Dom abgesagt, aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell hieß. Auf diesem Konzert sollte Musik von Ligeti, Kagel und Hambraeus aufgeführt werden. Neue Musik. Atonal. Unsingbar. Schreien, Pfeifen, Klopfen auf der Orgelempore. Beunruhigend. Später sollte zu einem Stück von Hans Otte auch noch getanzt werden. Evangelisches Grau war in Gefahr. Nun war man doch schon entmachtet, niemand glaubte mehr das jungfräuliche, und jetzt passierten so fürchterliche Dinge. Und sie nannten das „Neue Musik“. Ein Sicherheitsrisiko.

Eine Orgel ist eben kein normales Musikinstrument. Man kann sie nicht einfach woanders spielen, wenn ihre Musik vor Ort nicht erwünscht ist.
Eine Orgel ist immer gebunden an ihren Standort. Die Menschen, die sie umgeben, machen sie zur Anwohnerin oder zur Gefangenen des Hauses.

Wird ihr Betragen goutiert, wird sie geliebt. Das entscheiden sowohl diejenigen, die sie spielen, als auch die, die bestimmen wollen, was gespielt wird. Letztere sind allzu oft diejenigen, die nichts von Musik verstehen. Aber von Grau. Und von Jungfrauen. Und haben das Sagen. Aber nur noch in der Kirche.

Die #Orgel hat etwas jungfräulich-unbeholfenes, ist mehr ein Gerät als ein Instrument, ist mehr physikalisch als musikalisch. Ein Ton auf ihr wird an- wird ausgeschaltet, ganz einfach; diese Primitivität hat durchaus ihre Berechtigung, schließlich ist der Ursprung der Orgel ein paar Jahrtausende alt. Erst der orgelspielende Mensch verleiht der Physik seine Musikalität, begegnet der gepanzerten Grobheit mit Menschlichkeit, muss tricksen in einer Welt des Unumgänglichen und ewig Bestehenden und Feststehenden, um etwas Bewegung hineinzubringen.
Nur ist der Irrtum der, dass der starre, der unverrückbare Orgelton nicht göttlichen Willen, sondern menschliche Unbeholfenheit repräsentiert. Den Musikern gelingt es immer wieder, diesen Sauriern fließende, ja elegante Bewegungen zu entlocken, letzten Endes bleibt Orgelmusik aber in gewisser Weise übergewichtig, unfähig zu echtem Legato.

Die Königin will ein neues Lied. Dafür muss sie noch ein paar Töne lernen, was heißt, ein paar? Es sind viele neue Töne, viele neue Klänge. Dafür ist sie bereit, die Schulbank zu drücken, sich ein neues Herz und auch eine neue Lunge zuzulegen. Denn sie wird mehr Luft brauchen, viel mehr. Denn die Königin will singen. Ein neues Lied.

Wenn Gott eine Sprache hat, ist es die Musik. Das weiß jeder. Sogar die Atheisten. Wenn sogar die das zugeben, soll Gott doch bitte so reden, wie sich das in einer Kirche gehört. Dafür braucht man keine neuen Instrumente. Eine Orgel, die rauscht, jault und schlägt, braucht man nicht. Die ist gottlos. Man hat sich mal festgelegt, wie Gott redet. Bei Bach. Bei Reger. Bei Liszt. Messiaen noch, aber dann ist Schluss. Das muss angenehm klingen, damit keine Zweifel aufkommen.

Ab dem Zwanzigsten Jahrhundert hat Gott nämlich nichts neues mehr gesagt. Oder doch?

Sie hießen #Ligeti, #Otte, #Bares, Peter, #Zacher und #Kagel. Sie heißen #Susteck, #Glaus, #Szathmáry, Böttcher, #Alfter und Van #Coppenolle.
Zum Glück waren es so viele, sind es so viele, dass man sie hier nicht alle nennen kann:
Diejenigen, die die Königin zum Lachen, zum Schreien, zum Jaulen, zum Atmen und zum Keuchen bringen.
Klingt das erotisch? Ja, und vielleicht ist das der Grund, dass man meint, so könne Gott nicht sein, das könne er nicht wollen. Zum Glück greifen immer wieder Menschen ins Gottgewollte ein.

Im Herbst soll auf HR2 davon im #Radio die Rede sein. In zwei neuen Folgen der Reihe „Werkzeuge der Neuen Musik“. Über die Orgel.

So weit der Werbeblock.

©hoeldke2016


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