Donnerstag, 21. Januar 2016

Was hat Elektroakustische Musik mit Heino zu tun? #electracoustic #heino





Quo vadis, oder: Was hat Elektroakustische Musik mit Heino zu tun?

Die Elektroakustische Musik ist aus dem Wunsch nach Wandel entstanden. Der Wandel in Richtung Innovation ist ihr ein ständiger innerer Motor. Trotzdem kann man nicht erwarten, dass das allen willkommen wäre.
Denn wie jede Revolution ihre Kinder frisst, hat sich auch hier ein neues Establishment gegründet, vielleicht um jedes Elektronische Studio ein eigenes, mit Gewohnheiten, Rollenverständnissen und Pfründen. Die Elektroakustische Musik ist selbst zum Bestand geworden.

Man hat damals in den Sechzigern Klaviatur, Dur, moll und Metrik auf den Index gesetzt, um eine Musikrichtung zu schaffen, die wirklich eine Neuentwicklung ermöglicht und nicht zurückgreift auf Vorhandenes. Dieses Verbot hat sich so sehr zum Dogma verselbständigt, dass bei der Entwicklung neuer elektronischer Klangerzeuger diejenigen beargwöhnt und zu Tabuobjekten erklärt wurden, die ein Klaviermanual aufwiesen; so sehr, dass ein Durakkord, der sich in diesem oder jenem Stück entwickelte oder einschlich, Kitschvorwürfe auslöste.

Wenn sich innovative Bewegungen etablieren (mehr können auch sie nicht), um dann ihrerseits neue Dogmen auszubilden, werden sie oft ärgerlicher als die Umstände, zu deren Bekämpfung sie einst angetreten waren. Der Grund hierfür ist, dass sich die Bewegten mit religiösem Eifer hinter ihren Ideen verschanzen, sich isolieren, Gedankenspiele nicht zulassen.

Was heißt das für die Elektroakustische Musik? Von Anfang an gab es kleine Denkscharmützel über grundsätzliche Fragen. Morton Subotnik sprach von „kleinen Schlachten“ in Europa, in denen es darum ging, „ob man ein Mikrophon nehmen darf oder nicht.“ Ergebnis ist gewesen, dass man die kalifornische Institution dann „Tape Music Center“ nannte. Und die war offen: Man hat in San Francisco z.B. über eine Zusammenarbeit mit Janis Joplin nachgedacht. Jeder Klang durfte Musik sein.

Die technologische Entwicklung bedingt, dass Elektroakustische Musik immer wieder neu gedacht werden muss.
Früher waren es nur die Studios für Elektronische oder Elektroakustische Musik, in denen Klangforschung betrieben wurde. Elektronik wurde groß geschrieben, war etwas besonderes, wollte entdeckt werden. In den Studios standen die großen Rechner, die man dafür brauchte, das hat sich grundlegend geändert. Kaum jemand braucht noch ein Studio, um Elektroakustische Musik zu machen. Oder doch?

Im Prinzip reicht heute ein Mobiltelephon. Den Klang, den es noch nicht gibt, gibt es nicht mehr. Damit ist aber auch eine Barriere gefallen, die „Amateure“ von „Professionellen“ getrennt hat. Auch Musiker ohne akademischen Hintergrund haben Zutritt zu elektronischen Musikwerkzeugen, den selben Werkzeugen, die auch „Studierte“ benutzen. Dabei kommen elektroakustische Verfahren auch in anderen Musikgenres zum Einsatz. Die Klänge, die man z.B. in Clubs hören kann, fordern also förmlich eine Fusion der Stile.
Dazu kommen zunehmend Klangerzeuger im Eigenbau - Software wird geschrieben, Geräte werden gelötet, montiert, geschraubt. Umfunktionierte Instrumente, erweiterte Studiogeräte oder völlige Neuentwicklungen machen große Schritte auf die Klangkunst zu. Die Nähe der Elektroakustischen Musik zur Klangkunst und zur Performance hat es schon immer gegeben.
Keine Skandalkonzerte mehr, bei denen man wütend den Saal verließ, wegen der Kunst, der geschändeten. Heute trifft man sich im Bioladen an der Kasse, ohne einen Hauch von Spannung. Die Elektroakustische Musik ist zum Stillstand gekommen.

Die Elektroakustische Musik braucht Anschub, egal, von wo. Ich habe via Hashtags Vokabeln nachgeschaut: Chiptunes, Glitch, Clicks’n Cuts, Fixed Media, alles auf der Suche nach neuen Eindrücken. Die ließen und lassen aber auf sich warten. Die Hashtags brachten nichts zutage, was ich nicht schon seit mindestens zwanzig Jahren kenne. Man klickt sich durchs Netz und hört, was Pink Floyd, Björk, the Buckinghams (60er Jahre!) gemacht haben, nur eben auf modernem Equipment. Man diskutiert über Künstler, die Stile mischen wie Triphop, Breakcore, Barock etc. mit anderen. Stile mixen. Kenne ich. Das macht James Last auch. Und Heino. Alle mixen sich was. Das muss jeder Filmmusiker machen. Musikgeschichte remixen, wie es halt so kommt. Im Westen nichts Neues. Ein bisschen mehr braucht es also schon.

#noise, #clicks&cuts, #chiptunes sind im Augenblick von Bedeutung, #Electronica hat sogar einen richtigen Markt. Das meiste wird wieder verschwinden, größtenteils, weil es der zweite Aufguss von irgendetwas früherem ist. Aber die Kids hören es und machen es, lass doch der Jugend ihren Lauf, und laufen wir mit!

Nur Vorsicht! Hashtaggen wir uns vorwärts, so werden wir ziemlich schnell auf dem Musikmarkt landen. Die Gefahr, sich allzu sehr zu kommerzialisieren, ist groß, das bedeutet, den Stillstand festzuzurren.
Aber: Forschen wir!  Erzeugen wir ein Spannungsfeld zwischen Erlaubtem und Verbotenem. Das ist immerhin ein Konzept, also auch recht aktuell.

Wir hätten damals die Chance gehabt, Tangerine Dream oder Kraftwerk gegenüber offener zu sein. Diese Chance gibt es nicht mehr. Was soll man also tun mit den Clubmuckern? Zuhören, Spaß haben, Abklopfen auf neues und dabei die Tradition am Leben lassen.

Wesentliches Merkmal der Elektroakustischen Musik ist immer das Experiment gewesen.  Die Bindung an Studios hatte immerhin den Vorteil, dass die Nähe zu Universitäten (zumindest in Deutschland und Europa) immer eine Nähe zur Forschung nach Neuland bedeutet hat. Die jungen Musiker müssen sich nun viel mehr „ums Geschäft kümmern“. So wird Geld allzu oft wichtiger als Kunst.

Aber vielleicht liegt im Remix das Geheimnis. Lassen wir Dinge zu, die verboten sind. Wagen wir den Heino. Er selbst muss es ja nicht sein. Bauen wir ein Spannungsfeld auf. Concept Art, nicht als Einzelströmung, sondern als Weg zur gegenseitigen Befruchtung. 
 
#electronicmusic #electronica #Electronic #electroacoustic #klangkunst 

©hoeldke2016

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