Quo vadis, oder: Was hat Elektroakustische
Musik mit Heino zu tun?
Die Elektroakustische Musik ist aus dem Wunsch
nach Wandel entstanden. Der Wandel in Richtung Innovation ist ihr ein ständiger
innerer Motor. Trotzdem kann man nicht erwarten, dass das allen willkommen wäre.
Denn wie jede Revolution ihre Kinder frisst, hat
sich auch hier ein neues Establishment gegründet, vielleicht um jedes Elektronische
Studio ein eigenes, mit Gewohnheiten, Rollenverständnissen und Pfründen. Die
Elektroakustische Musik ist selbst zum Bestand geworden.
Man hat damals in den Sechzigern Klaviatur,
Dur, moll und Metrik auf den Index gesetzt, um eine Musikrichtung zu schaffen,
die wirklich eine Neuentwicklung ermöglicht und nicht zurückgreift auf
Vorhandenes. Dieses Verbot hat sich so sehr zum Dogma verselbständigt, dass bei
der Entwicklung neuer elektronischer Klangerzeuger diejenigen beargwöhnt und zu
Tabuobjekten erklärt wurden, die ein Klaviermanual aufwiesen; so sehr, dass ein
Durakkord, der sich in diesem oder jenem Stück entwickelte oder einschlich,
Kitschvorwürfe auslöste.
Wenn sich innovative Bewegungen etablieren
(mehr können auch sie nicht), um dann ihrerseits neue Dogmen auszubilden,
werden sie oft ärgerlicher als die Umstände, zu deren Bekämpfung sie einst
angetreten waren. Der Grund hierfür ist, dass sich die Bewegten mit religiösem
Eifer hinter ihren Ideen verschanzen, sich isolieren, Gedankenspiele nicht
zulassen.
Was heißt das für die Elektroakustische Musik?
Von Anfang an gab es kleine Denkscharmützel über grundsätzliche Fragen. Morton
Subotnik sprach von „kleinen Schlachten“ in Europa, in denen es darum ging, „ob
man ein Mikrophon nehmen darf oder nicht.“ Ergebnis ist gewesen, dass man die
kalifornische Institution dann „Tape Music Center“ nannte. Und die war offen:
Man hat in San Francisco z.B. über eine Zusammenarbeit mit Janis Joplin
nachgedacht. Jeder Klang durfte Musik sein.
Die technologische Entwicklung bedingt, dass
Elektroakustische Musik immer wieder neu gedacht werden muss.
Früher waren es nur die Studios für
Elektronische oder Elektroakustische Musik, in denen Klangforschung betrieben
wurde. Elektronik wurde groß geschrieben, war etwas besonderes, wollte entdeckt
werden. In den Studios standen die großen Rechner, die man dafür brauchte, das
hat sich grundlegend geändert. Kaum jemand braucht noch ein Studio, um
Elektroakustische Musik zu machen. Oder doch?
Im Prinzip reicht heute ein Mobiltelephon. Den
Klang, den es noch nicht gibt, gibt es nicht mehr. Damit ist aber auch eine
Barriere gefallen, die „Amateure“ von „Professionellen“ getrennt hat. Auch
Musiker ohne akademischen Hintergrund haben Zutritt zu elektronischen
Musikwerkzeugen, den selben Werkzeugen, die auch „Studierte“ benutzen. Dabei
kommen elektroakustische Verfahren auch in anderen Musikgenres zum Einsatz. Die
Klänge, die man z.B. in Clubs hören kann, fordern also förmlich eine Fusion
der Stile.
Dazu kommen zunehmend Klangerzeuger im Eigenbau
- Software wird geschrieben, Geräte werden gelötet, montiert, geschraubt.
Umfunktionierte Instrumente, erweiterte Studiogeräte oder völlige
Neuentwicklungen machen große Schritte auf die Klangkunst zu. Die Nähe der
Elektroakustischen Musik zur Klangkunst und zur Performance hat es schon immer
gegeben.
Keine Skandalkonzerte mehr, bei denen man wütend
den Saal verließ, wegen der Kunst, der geschändeten. Heute trifft man sich im
Bioladen an der Kasse, ohne einen Hauch von Spannung. Die Elektroakustische
Musik ist zum Stillstand gekommen.
Die Elektroakustische Musik braucht Anschub,
egal, von wo. Ich habe via Hashtags Vokabeln nachgeschaut: Chiptunes, Glitch,
Clicks’n Cuts, Fixed Media, alles auf der Suche nach neuen Eindrücken. Die
ließen und lassen aber auf sich warten. Die Hashtags brachten nichts zutage,
was ich nicht schon seit mindestens zwanzig Jahren kenne. Man klickt sich
durchs Netz und hört, was Pink Floyd, Björk, the Buckinghams (60er Jahre!)
gemacht haben, nur eben auf modernem Equipment. Man diskutiert über Künstler,
die Stile mischen wie Triphop, Breakcore, Barock etc. mit anderen. Stile mixen.
Kenne ich. Das macht James Last auch. Und Heino. Alle mixen sich was. Das muss
jeder Filmmusiker machen. Musikgeschichte remixen, wie es halt so kommt. Im
Westen nichts Neues. Ein bisschen mehr braucht es also schon.
#noise, #clicks&cuts, #chiptunes sind im
Augenblick von Bedeutung, #Electronica hat sogar einen richtigen Markt. Das
meiste wird wieder verschwinden, größtenteils, weil es der zweite Aufguss von
irgendetwas früherem ist. Aber die Kids hören es und machen es, lass doch der
Jugend ihren Lauf, und laufen wir mit!
Nur Vorsicht! Hashtaggen wir uns vorwärts, so
werden wir ziemlich schnell auf dem Musikmarkt landen. Die Gefahr, sich allzu
sehr zu kommerzialisieren, ist groß, das bedeutet, den Stillstand festzuzurren.
Aber: Forschen wir! Erzeugen wir ein Spannungsfeld zwischen
Erlaubtem und Verbotenem. Das ist immerhin ein Konzept, also auch recht
aktuell.
Wir hätten damals die Chance gehabt, Tangerine Dream oder Kraftwerk gegenüber offener zu sein. Diese Chance gibt es
nicht mehr. Was soll man also tun mit den Clubmuckern? Zuhören, Spaß haben,
Abklopfen auf neues und dabei die Tradition am Leben lassen.
Wesentliches Merkmal der Elektroakustischen
Musik ist immer das Experiment gewesen. Die Bindung an Studios hatte immerhin den
Vorteil, dass die Nähe zu Universitäten (zumindest in Deutschland und Europa)
immer eine Nähe zur Forschung nach Neuland bedeutet hat. Die jungen Musiker
müssen sich nun viel mehr „ums Geschäft kümmern“. So wird Geld allzu oft
wichtiger als Kunst.
Aber vielleicht liegt im Remix das Geheimnis.
Lassen wir Dinge zu, die verboten sind. Wagen wir den Heino. Er selbst muss es
ja nicht sein. Bauen wir ein Spannungsfeld auf. Concept Art, nicht als
Einzelströmung, sondern als Weg zur gegenseitigen Befruchtung.
#electronicmusic #electronica #Electronic #electroacoustic
#klangkunst
©hoeldke2016
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