Sonntag, 21. Januar 2018

Quo vadis, TU-Studio?

Was wird aus dem TU-Studio?

Am 17. Januar 2018 durfte es noch einmal aufleben, das Elektronische Studio der Technischen Universität Berlin: In der Veranstaltungsreihe EM4 hatte man zum zweiten Mal in die Akademie der Künste gebeten, um Musik, produziert zwischen 1978 und 2004 im TU-Studio, zu präsentieren.
 Besonders war im Anschluss an das kleine Konzert in einem Podiumsgespräch mit Folkmar Hein von der Zeit die Rede, in der er, Hein, der Studioleiter war, in den Jahren 1974 bis 2009. Hein ist das, was man in der Wirtschaft wohl einen dynamischen Menschen nennt, allerdings ohne die unter Geschäftsdynamikern übliche Geld—Macht-Attitüde. Und seine Dienstzeit war die, die man als die bemerkenswerteste Periode des Studios bezeichnen kann. Vorher hatte Boris Blacher das Studio geleitet, da hatte der Wiederaufbau-Mythos noch seine Gültigkeit, nach 2009 flaute der künstlerische Output merklich ab, der Geldhahn wurde allmählich zugedreht, besonders für die personelle Gestaltung. Kein Interesse mehr von Seiten des TU-Überbaus?

Hein hat dieses Studio erblühen lassen, indem er die Einseitigkeit des Namens Technische Universität unwirksam werden ließ. Dies war durchaus im Sinne der Namensgeber der TU, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch „Technische Hochschule“ hieß. Bei ihrer Neugründung 1946 als Universität wurde das Prinzip des studium generale eingeführt, demzufolge jeder dort Studierende auch einen Mindestanteil an nicht-technokratischen Studien wie Germanistik, Kunstgeschichte oder Musikwissenschaft absolvieren musste. Dies sollte allen künftigen deutschen Regierenden erschweren, die technikaffinen Studienfächer für mögliche Kriegsmaschinerien zu instrumentalisieren. All dies unter dem wohlmeinenden Blick der britischen Stadtkommandantur, die für Berlin-Charlottenburg zuständig war.

Folkmar Hein griff diesen Gedanken auf, als er am 1.Oktober 1974 die Leitung des Studios übernahm. Seine zunehmenden Kontakte zur UdK (damals noch HdK) und zur Akademie der Künste sowie zum Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) öffneten den damaligen Fachbereich „Kommunikationswissenschaft“ in Richtung Kunst und vor allen Dingen in Richtung Musik, der nobelsten aller Kommunikationsverfahren. Das Studio entwickelte sich mehr und mehr zu einer Einrichtung für Technologie und Musik. Heins erwähnte Dynamik zeigte sich in dem Vermögen, Kontakte zu knüpfen und Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Einen für West-Berliner eigentlich nicht zu begehenden Weg, nämlich den in die DDR schuf er, indem er die ostdeutschen Künstler einfach in anderen Ländern des Ostblocks traf, zum Beispiel beim „Warschauer Herbst“ in Polen. Eines der bedeutendsten Projekte stellte das Festival „Inventionen“ dar, das für viele nationale und internationale Protagonisten der Elektroakustischen Musik die Türen öffnete.
Darüber hinaus schuf Hein eine Mediathek mit über 10.000 Titeln und die Internationale Dokumentation Elektroakustischer Musik mit mittlerweile über 35.000 Titeln, Kosename „EM-Doku“. Jeden Donnerstag während der laufenden Semester fand seit 1985 die Schauveranstaltung „Elektroakustische Musik Hören“ statt, bei der neue Werke und ihre Schöpfer vorgestellt wurden. „EMH“ wurde von Heins Nachfolgern Bartetzki, Straebel und Pysiewicz noch bis 2015 weiter betrieben. Um eines nicht zu vergessen: Zahlreiche Komponisten, namhafte und weniger namhafte, konnten in dem Elektronischen Studio der Technischen Universität unter fachlicher Anleitung und mit tatkräftigem Beistand arbeiten.

All dies war aus zwei Gründen möglich:

1. Der Studioleiter war eine unbefristete Vollzeitstelle, die es ihrem Inhaber ermöglichte, mittel- und langfristig zu planen.
2. Folkmar Hein schaute nicht auf Arbeitszeiten, man kann ihn ohne Einschränkung als Idealisten bezeichnen. Viele Aktivitäten betrieb er aus Eigeninitiative und unter Einsatz persönlicher Mittel.

Als er 2009 in den Ruhestand ging, wurde die Stelle Heins abgeschafft und durch ein neues Modell ersetzt: Zwei Nachfolger erhielten auf fünf Jahre befristete Verträge, das Aufgabengebiet wurde aufgeteilt -neudeutsch „gesplittet“- in technische und künstlerische Leitung. Ihre ersten Inhaber waren André Bartetzki und Volker Straebel, die diese Aufgabe gut meisterten, obwohl die Motivation, die eine halbe Fünf-Jahres-Stelle evozierte, bestimmt nicht überbordete. Andreas Pysiewicz und Henrik von Coler machten danach oft unmögliches möglich. Sie hatten nach Straebel und Bartetzki die „technische Leitung“ inne. Und die künstlerische? Machten sie nebenbei freiwillig, und zwar gut. Man schaute auch weiterhin nicht auf einen arbeitsrechtlich garantierten Feierabend. Danach schrumpfte die Stelle auf ihre Hälfte. Nun hat Henrik von Coler die Aufgabe, das Studio allein zu leiten.

Der Fachbereich hat inzwischen einen neuen Namen: „Audio-Kommunikation“. Ein moderner Name, von dem man nicht weiß, ob er sich auf die Elektroakustische Musik an der TU irgendwie auswirken wird. Oder war das alles zu viel Kunst für eine Technische Universität? Noch ist das Studio da, am Einsteinufer 17c. Wird es sich noch einmal aufschwingen? An den Studiomitarbeitern liegt es nicht. Die sind nur so umfänglich beschäftigt, dass sie gar nicht mehr dazu kommen, die EMDoku zu pflegen, die „Inventionen“ zu reanimieren oder Komponisten dort arbeiten zu lassen. Schaut man auf die Verstaltungsseite der Studiohomepage, fällt die fehlende Dichte auf (http://www.ak.tu-berlin.de/menue/elektronisches_studio/produktionen_und_konzerte/parameter/maxhilfe/). Sollte das nun alles gewesen sein?

Keine Frage an die Mitarbeiter des Studios, sondern an die Technische Universität Berlin: Das TU-Studio ist ein Forum und ein Multiplikator für die Elektroakustische Musik gewesen. Und damit für das studium generale. Ist diese Zeit nun vorbei? Vielleicht eine naive Frage.

©hoeldke 2018

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